Mehrheit mit mulmigem Gefühl

BERLIN. In eine "etwas komische Gesellschaft" begibt sich nach den Worten ihres außenpolitischen Sprechers Werner Hoyer heute die FDP im Bundestag. Zusammen mit der Linkspartei wollen die Liberalen den Einsatz der Bundeswehr im Kongo ablehnen.

Alle anderen Fraktionen, auch die Grünen, wollen bis auf wenige Kritiker mit großer Mehrheit zustimmen, so dass der Entsendung von 780 Soldaten ab Ende Juni nach Zentralafrika praktisch nichts mehr im Wege steht. Allerdings spiegelt die erwartete große Mehrheit nicht auch eine gleich starke Überzeugung wider, dass die Teilnahme an der EU-Mission zur Sicherung der Präsidentschaftswahlen im Kongo wirklich richtig ist. In allen Fraktionen gab es im Vorfeld Debatten. Bei der Probeabstimmung unter den SPD-Abgeordneten votierten am Dienstag zwölf Parlamentarier mit Nein. In der Union waren es fünf. Etliche der Kritiker wollen allerdings heute aus Koalitionsdisziplin zustimmen. FDP-Chef Guido Westerwelle sieht sich bei seiner Skepsis außerhalb des Parlaments allerdings "in guter Gesellschaft", wie er gestern sagte. Westerwelle verwies auf den Bundeswehrverband, der die Mission als "politisches Showbusiness mit militärischen Mitteln" brandmarkte. Auch der FDP fehlt ein Gesamtkonzept. Die insgesamt 2000 Soldaten, die aus 16 europäischen Ländern kommen ("Eufor"), könnten in dem Riesenland wenig ausrichten. "Der Einsatz ist stümperhaft vorbereitet. Er könnte der erste außenpolitische Fehler Angela Merkels werden", sagte FDP-Mann Hoyer. Laut einer "Stern"-Umfrage lehnen 57 Prozent der Deutschen das Engagement in Afrika ab. Viele Kritiker bezweifeln, dass es bei der geplanten Dauer von vier Monaten bleibt. So räumte der deutsche Kommandeur der Eufor-Truppe, Genereal Viereck, nach Informationen unserer Zeitung vor dem Arbeitskreis Sicherheit der Unionsfraktion ein, dass für die Vor- und Nachbereitung noch einmal jeweils 50 Tage notwendig seien, so dass sich eine Gesamteinsatz-Zeit von 220 Tagen ergibt. Die Eufor-Soldaten haben den Auftrag, in der Hauptstadt Kinshasa die Präsidentschaftswahlen zu sichern. Sie sollen durch ihre Präsenz helfen, dass das Wahlergebnis anerkannt wird, und bei Unruhen Wahlbeobachter evakuieren. Die Hälfte der Soldaten wird im benachbarten Gabun auf Befehle warten. Die Abstimmung über den Kongo-Einsatz findet vor dem Hintergrund einer anschwellenden grundsätzlichen Debatte um das militärische Engagement Deutschlands in der Welt statt. Nach den gewalttätigen Protesten gegen amerikanische Soldaten am Montag in Kabul nimmt im Bundestag die Sorge zu, die Bundeswehr könne sich nicht nur im Kongo in direkte militärische Auseinandersetzungen verstricken, sondern auch in Afghanistan. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, bemängelte das Fehlen eins Gesamtkonzepts für Auslandseinsätze. Die Politiker in Deutschland redeten sich die Verhältnisse, insbesondere in Afghanistan, schön, sagte Gertz. Auch der FDP-Abgeordnete Hoyer meinte, das Konzept des "lächelnden Soldaten" drohe in Afghanistan zu scheitern. Der CDU-Sicherheitspolitiker Karl-Georg Wellmann sagte, eine Debatte über die Kriterien von Auslandseinsätzen sei notwendig. "Wir können nicht immer passiv auf Anfragen der Vereinten Nationen reagieren".

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