Merkel, die Populisten und wieder ein Schicksals-Parteitag

Essen · In Österreich gewinnt ein Ex-Grüner gegen den Populisten Hofer. In Italien bricht Merkel mit Renzi ein Verbündeter weg. Keine leichten Vorzeichen für die Kanzlerin vor ihrer eigenen Wahl in Essen.

Es ist wieder so etwas wie ein Schicksals-Parteitag für Angela Merkel. Der mächtigsten Frau der Welt kommen immer mehr Verbündete abhanden - jetzt der italienische Regierungschef Matteo Renzi nach der Niederlage bei seinem Verfassungsreferendum, Regierungskrise inklusive. In den USA übernimmt demnächst der unberechenbare Donald Trump die Macht. Und auch in Deutschland haben Rechtspopulisten von der AfD Konjunktur. Mitten in diesen unsicheren Zeiten tritt die 62-Jährige an diesem Dienstag beim Parteitag in Essen zum neunten Mal für den Vorsitz der CDU an.

Das Abstimmungsergebnis wird für die Kanzlerin ein sicheres Zeichen sein, wie sehr die eigene Partei noch hinter ihr steht - trotz des Unmuts über ihre Flüchtlingspolitik. Gelingt es Merkel, die Kritiker mit ihrer Rede einzubinden und Rückenwind für ihre schwierige vierte Kanzlerkandidatur 2017 zu bekommen?

Denn nicht nur CSU-Chef Horst Seehofer, auch in der Kanzlerinnen-Partei geben viele ihrem Kurs der Offenheit zu Beginn der Flüchtlingskrise die Schuld am Erstarken der Alternative für Deutschland. Da interessiert meistens gar nicht, dass Merkel ihre Haltung in der Flüchtlings- und Asylpolitik stark verschärft hat.

Merkel geht mit einem Signal der mehrfachen Spaltung aus Italien und Österreich in den Essener Parteitag. Ihr Generalsekretär Peter Tauber reagiert erstmal einigermaßen erleichtert auf den unerwarteten Sieg des ehemaligen österreichischen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl im Nachbarland. Doch Tauber fügt mahnende Worte an Van der Bellen hinzu: Dieser habe nun die Aufgabe, „die österreichische Gesellschaft nach diesem langen und harten Wahlkampf wieder zusammenzuführen“.

Der Satz zeigt schon, dass Merkel und ihren Getreuen klar ist: Der Vorsprung für Van der Bellen ist weder ein Ruhekissen für die Österreicher noch für die Kanzlerin und alle Demokraten in Europa. Eine Mehrheit von nur ein paar Punkten über 50 Prozent stimmten für Van der Bellen - doch für den rechtspopulistischen Norbert Hofer von der FPÖ votierten immerhin um die 47 Prozent. Österreich zeigt sich gespalten. Auch für Merkel ein Alarmsignal.

Und dann in der Nacht zu Montag auch noch Renzi. Die Kanzlerin hatte in ihm schon einen Hoffnungsträger für das notorisch instabile italienische Regierungssystem gesehen, als er noch Bürgermeister von Florenz war. Gerne hätte sie den jungen Italiener und seine Regierung nach dem Beschluss der Briten zum Ausstieg aus der Europäischen Union - dem Brexit - stärker in die Achse ihrer Verbündeten einbezogen.

Nicht ohne Grund hatte die Kanzlerin auch Renzi 2016 mehrfach zu internationalen Treffen eingeladen. Zuletzt Mitte November nach Berlin, als sie mit dem scheidenden US-Präsidenten Barack Obama und den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Spanien und Großbritannien über den Machtwechsel in den USA, die Beziehungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die Lage in Syrien und den Kampf gegen den islamistischen Terror beriet.

Nach dem Scheitern Renzis bei seinem Verfassungsreferendum war zunächst unklar, welche Folgen diese Volksabstimmung nach sich zieht. Merkel dürfte nach dem von ihr bekannten Rezept vorgehen: Abwarten. Offen ist, ob es eine Übergangsregierung bis 2018 gibt oder eine vorgezogene Wahl. Und selbst bei letzterer ist derzeit nur schwer absehbar, wer gewinnt.

Italien wird für Merkel ein wichtiger Partner bleiben, egal, wer dort regiert: die meisten Flüchtlinge aus Afrika kommen derzeit wieder nach einer gefährlichen Überfahrt übers Mittelmeer dort an. Sollte eine italienische Regierung die Menschen nach Norden durchwinken, könnten Deutschland und Österreich vor dem Problem von 2015 stehen. Mitten im deutschen Wahljahr drohten dann womöglich Fernsehbilder von verzweifelten Flüchtlingen, die dann am Brenner stranden - falls Österreich die Grenze dicht macht.

Bei Obamas Abschiedsbesuch in Berlin hatte die Kanzlerin ihren Pragmatismus präsentiert: Auf die Frage, ob ihr der Abschied von diesem Ausnahmepolitiker schwer falle, hatte sie zwar bekannt: „Na klar. Wenn man mit jemandem gut zusammengearbeitet hat, dann fällt der Abschied auch schwer.“ Aber schließlich sei man ja Politiker, fügte sie ziemlich nüchtern hinzu. „Und Demokratie lebt vom Wechsel.“ Das dürfte nicht nur ihre Einstellung zu Italien berühren. Auch für sie selbst gilt vor der Bundestagswahl: Ausgang offen.

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