Merkel führt rot-grünes Projekt zu Ende

Schwarz-Gelb hat in kürzester Zeit eine umfassende Energiewende und den Atomausstieg beschlossen. Ausnahmsweise ohne viel Streit. Der Trierische Volksfreund dokumentiert das Gesamtpaket.


Atomausstieg: Im Atomgesetz soll festgelegt werden, dass die Kraftwerke maximal 32 Jahre laufen dürfen. Damit können die derzeit abgeschalteten sieben ältesten Meiler sowie das Kraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz. Die anderen Meiler werden bis 2022 schrittweise abgeschaltet. Die 32-Jahre-Frist entnahm die Koalition dem rot-grünen Atomausstiegsbeschluss. Da die Konzerne den damals unterschrieben haben, können sie jetzt kaum wegen eines Eingriffs in ihre Eigentumsrechte klagen, glaubt man in der Regierung. Stromlücke: Eines der sieben sofort stillzulegenden Altkraftwerke soll für die zwei kommenden Winter noch in Reserve gehalten werden. Die Bundesnetzagentur hatte auf die Gefahr einer möglichen kurzfristigen Überlastung hingewiesen. Mit dem Fortfall der Kernenergie fehlen künftig rund 20 von 90 Gigawatt Kraftwerksleistung. Zehn Gigawatt sollen die bereits im Bau befindlichen fossilen Kraftwerke bringen. Weitere zehn sollen bis 2020 gebaut werden, vor allem Gaskraftwerke. Dazu wird ein Planungsbeschleunigungsgesetz erlassen. Die erneuerbaren Energien sollen ihren Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 von jetzt 17 auf 35 Prozent verdoppeln. Zehn Windparks auf See werden gefördert. Energieeffizienz: Für das Gebäudesanierungsprogramm soll es künftig jährlich satte 1,5 Milliarden Euro Fördergelder geben; Eigentümer können zudem Energieeinspar-Investitionen jährlich zu zehn Prozent steuerlich abschreiben. Bei elektrischen Geräten sollen EU-Verbrauchsstandards verbessert werden. Endlager: Gorleben soll "ergebnisoffen" weiter erkundet werden. Zugleich aber sollen "geologische Eignungskriterien" und "alternative Entsorgungsoptionen" geprüft werden. Im Klartext: Das Endlager könnte auch zum Beispiel in Granit statt in Salz entstehen, vor allem dann, wenn der Müll "rückholbar" eingelagert werden soll. Kosten: Finanzminister Wolfgang Schäuble kosten die Beschlüsse mindestens zwei Milliarden Euro, die dank der sprudelnden Steuereinnahmen verkraftet werden können. Die Kernbrennstoffsteuer bleibt entgegen der Position der CSU wie geplant bis 2016 erhalten, bringt aber nur noch 1,3 statt 2,3 Milliarden Euro im Jahr. Die Einnahmen aus der Auktionierung von Emissionszertifikaten im Umfang von rund 900 Millionen Euro gehen künftig statt in den Haushalt in einen "Energie- und Klimafonds". Den hatten ursprünglich die Atomkonzerne im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung finanzieren sollen, was nun entfällt. Aus dem Fonds werden Entschädigungen für die energieintensive Industrie bezahlt. Das weitere Verfahren: Neben dem Atomgesetz will die Regierung am 6. Juni auch über acht Begleitgesetze entscheiden, vom Netzausbau über die Fördersätze für Solar- und Windstrom bis zur Kraft-Wärme-Kopplung. Keines der einzelnen Gesetze ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Am Freitag trifft sich Merkel dennoch mit den Ministerpräsidenten. Auch die Zustimmung der Opposition wird gesucht. Alle Gesetzesvorhaben sollen noch im Juli Bundestag und Bundesrat passieren.
Werner Kolhoff, Hagen Strauß

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort