Merkel für Böhr

TRIER. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei der zentralen CDU-Wahlkampf-Veranstaltung in der Trierer Europahalle Herausforderer Christoph Böhr den Rücken gestärkt. Gewählt werde nicht nach Umfragen, sondern nach Stimmen in der Urne, sagte die CDU-Chefin.

Ministerpräsidenten-Kandidat Christoph Böhr setzt auf den Merkel-Bonus. Die Kanzlerin soll den Saal füllen. So hat er es den ganzen Wahlkampf über gehalten, im Windschatten von CDU-Größen wie Helmut Kohl, Roland Koch oder Jürgen Rüttgers. An diesem Nachmittag geht das Konzept auf: Das Zugpferd Merkel beschert dem Herausforderer 1500 Besucher. Und weil der Flieger der Kanzlerin einen Defekt hat, gehört dem Herausforderer das ungeteilte Interesse des Auditoriums nicht nur für die geplante Vorredner-Viertelstunde, sondern gleich doppelt so lang. Böhr ist heiser, immer noch erkältet. Aber er kämpft. Er dekliniert die zentralen Wahlkampf-Begriffe durch: Mittelstand, Arbeitsplätze, Bildung, Sicherheit, Verwaltungsreform. Der Ton bleibt moderat, die Argumentation sachlich. Man hört ihm aufmerksam zu, auch in den hinteren Reihen, wo nicht nur Parteivolk sitzt. Aber Funken fliegen nicht, der finale Beifall ist freundlich-zurückhaltend, nur die Getreuesten in den ersten Reihen stehen auf. Fünf Minuten später, als Angela Merkel feierlich einzieht, hört man, wie der proppenvolle Saal klingen kann. Man ist stolz auf "seine" Kanzlerin, die eine stark bundespolitisch gefärbte, souveräne, bisweilen sogar kesse Wahlrede hält - kein Vergleich zum angespannten Auftritt letzten Herbst vor der Porta. "Man kann im Land manches besser machen"

Aber wie macht man Wahlkampf, wenn es gegen den stellvertretenden Vorsitzenden des eigenen Koalitionspartners geht? Merkel bleibt im Unverbindlichen, redet von Grundwerten, Realismus, Ehrlichkeit, aber wenig von rheinland-pfälzischen Details. Als sie es, vom einzigen Zwischenruf des Abends provoziert, doch mal tut, geht es daneben: Da hält sie ein flammendes, vom Publikum bejubeltes Plädoyer für Studiengebühren. Dabei haben ihre Parteifreunde hierzulande das genaue Gegenteil im Wahlprogramm stehen. Aber das merkt in der Hitze des Gefechts ohnehin keiner. Es sei "manches ganz gut in Rheinland-Pfalz", sagt Merkel, aber man könne es "noch besser machen". Das mag ehrlich sein, aber es ist nicht der Stoff, mit dem man Wahlkämpfe in den vergangenen Tagen so polarisieren kann, dass sich Mehrheiten noch umdrehen lassen. Es klingt eher rücksichtsvoll. Das scheint auch Angela Merkel zu merken, und so legt sie gegen Ende doch noch eine Wahlkampf-Schippe drauf. Dass die Rheinland-Pfälzer nicht dümmer seien als die Bayern, ihr mittelmäßiges Pisa-Abschneiden mithin an der Bildungspolitik der Landesregierung liegen müsse. Und dass es nicht angehe, dass sich die Bürger nach Einbruch der Dunkelheit nicht auf die Straße trauen könnten. Aber das klingt denn doch eher nach Berlin-Marzahn als nach Trier-Gartenfeld, und der Beifall an dieser Stelle bleibt eher schütter. Aber sonst sind die Zuschauer sichtlich froh mit der gut aufgelegten Regierungschefin. Die wirbt zum Schluss noch einmal für ihren Stellvertreter im Parteivorsitz, der am Sonntag Ministerpräsident werden will. Wahlen würden "immer mehr zum Ende hin entschieden", sagt die Kanzlerin, die es spätestens seit letztem Herbst wissen muss. Es müsse nur jeder, der in der Halle gewesen sei, nach Hause gehen und Familie, Freunde und Bekannte überzeugen. "Wenn die CDU es will, können wir die Wahl gewinnen", ruft sie beschwörend. Was das im Umkehrschluss bei einer Niederlage heißt, darüber möchte sich an diesem Abend niemand Gedanken machen. Der Trierische Volksfreund hat Sozialkunde-Kurse des Trierer Angela-Merici-Gymnasiums gebeten, die Auftritte von Amtsinhaber Beck und Herausforderer Böhr unter die Lupe zu nehmen. Eine Bilanz mit den "Zeugnissen" für die Politiker folgt morgen im TV.

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