Merkel mahnt die Bosse

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wirtschaft aufgerufen, den Streit über Manager-Gehälter als Chance zu begreifen. In einer Rede in Berlin schrieb sie den Bossen einiges ins Stammbuch.

Berlin. Zwischen der Kabinettssitzung und einem Treffen mit Polens neuem Premier Donald Tusk hatte Angela Merkel gestern nur eine Dreiviertelstunde Zeit für Deutschlands Arbeitgeber. Die aber nutzte die Kanzlerin, um mit den Bossen Klartext über überzogene Managergehälter, mangelnde soziale Sensibilität und Mäkelei an der Regierungspolitik zu reden. Rund 1000 in einem Berliner Hotel versammelte Mitglieder der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) gaben hinterher für den ziemlich frechen Vortrag sogar Beifall. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte der Kanzlerin mit einem nicht ganz widerspruchsfreien Klagelied einige Steilvorlagen geliefert. Einerseits hatte Hundt festgestellt: "Es geht voran mit Deutschland" - und die robuste Verfassung der Wirtschaft, die Anstrengungen der Tarifpartner und sogar die politischen Rahmenbedingungen gelobt. Andererseits monierte er, dass sich die Politik beim Arbeitslosengeld I "geradezu fatal" wieder von den Reformen verabschiede, dass sie "waghalsige Wendemanöver" mache und die großen Strukturreformen nicht anpacke. Die Festlegung von Mindestlöhnen per Entsendegesetz sei "eine Einladung zum Missbrauch", bei der Post habe man das "Desaster" ja gesehen. Merkel hörte in der ersten Reihe ruhig zu, ehe sie schließlich am Rednerpult stand und den Anklagespieß umdrehte, wenn auch freundlich verpackt. Sie nahm das Thema Managergehälter auf, das Hundt in weiser Voraussicht selbst eher defensiv angerissen hatte. Der Arbeitgeberpräsident hatte nur um "etwas mehr Sachlichkeit" in der Debatte gebeten. Zwar sprach er von "einzelnen Fehlentwicklungen", aber das Gros der Unternehmer verhalte sich doch verantwortungsbewusst. Merkel aber bohrte mit einiger Lust in der Wunde, die die aktuellen Nachrichten über exorbitante Einkommenszuwächse, plötzliche Aktienverkäufe oder hohe Abfindungen dem Arbeitgeberlager zugefügt haben. Es darf geklatscht werden

"Nehmen Sie die Debatte ernst", rief sie aus, "tun Sie sie nicht als Neiddebatte ab". Es gebe ein zunehmendes Unwohlsein, "wenn jemand, der für sein Unternehmen Risiken heraufbeschwört, keine persönlichen Risiken mehr hat. Das hat es so früher nicht gegeben." Als einzelne Zuhörer hier zaghaft Beifall zollen wollten, ermuntere Merkel den ganzen Saal: "Ja, es darf geklatscht werden". Die meisten folgten der Aufforderung. Zwar sei auch sie gegen gesetzliche Beschränkungen der Managereinkommen, sagte Merkel, doch das bedeute nicht, dass man gar nichts tun könne. "Dazwischen ist noch viel Spielraum". Auch beim Mindestlohn verwies sie die Arbeitgeber auf ihre eigene Verantwortung. Wenn immer weniger Arbeitnehmer tarifgebunden seien, dann sei das ein Problem. "Begreifen Sie das doch als Chance für die Tarifparteien, sich darüber zu verständigen, wo eigentlich die Lücken im Tarifsystem sind und wo es vielleicht gut wäre, wieder Flächentarife abzuschließen". Vor allem die Dienstleistungsbranche bereite ihr "große Sorgen". Merkel erinnerte an eine frische Umfrage, wonach nur 15 Prozent der Deutschen finden, dass die Gesellschaft gerecht ist. "Glauben Sie nicht, dass die Politik an so was einfach vorbeigehen kann". Politik könne nicht nur für eine Gruppe da sein. Wenn Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht gemeinsam Verantwortung übernähmen, "werden wir das Land nicht in eine erfolgreiche Zukunft führen".

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