Merkel setzt den Hobel an

BERLIN. Wenige Tage nach Amtsantritt macht die neue Regierung erste Linien der zukünftigen Politik klar. Bundeskanzlerin Angela Merkel schwört die Deutschen auf Jahre des Verzichts ein.

Den Vergleich mit Margret Thatcher mag Angela Merkel nicht. Obwohl es durchaus Parallelen zwischen den beiden mächtigen Frauen gibt: Die britische Premierministerin kam 1979 in einem links regierten Großbritannien an die Macht, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und immenser wirtschaftlicher Probleme. Ähnlich ist heute die Lage in Deutschland. Die "eiserne Lady" Thatcher setzte daraufhin auf einen rigiden Spar- und Kürzungskurs, Merkel bereitet die Deutschen zumindest schon einmal darauf vor, dass die nächsten vier Jahre wohl Jahre des Verzichts werden dürften. Nur: Schon geht angesichts solcher Aussichten in der großen Koalition eine ebenso große Sorge um. "Wir haben im Augenblick leider einfach nicht die Spielräume für Steuersenkungen", meinte sie in ihrem ersten großen Interview als Bundeskanzlerin in "Bild". Im Wahlkampf klang das noch ganz anderes. Zur Begründung führt Merkel an, dass die gesamte Haushaltslage noch schwieriger sei, als die Union befürchtet habe. Deshalb müssten jetzt auch Teile der Mehrwertsteuererhöhung für die Konsolidierung der Haushalte herangezogen werden; Rentner und Beamte müssten zusätzliche Opfer bringen. Schon länger wird über Giftlisten und Sparhammer debattiert, die angeblich im Finanzministerium in der Schublade schlummern. Wobei viele der geplanten und derzeit diksutierten Maßnahmen aus Ausgabenkürzungen, Subventionsabbau oder höheren Steuern kein Geheimnis, sondern bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag nachlesbar sind. Die große Koalition plant für ihren Bundeshaushalt 2006 eine Rekord- Neuverschuldung von 41 Milliarden Euro, 2007 soll aber zumindest wieder das EU-Defizit-Kriterium von drei Prozent eingehalten werden. Allein dafür muss mehr gespart, mehr gekürzt und mehr gestrichen werden. Überdies will sich Schwarz-Rot bald damit rühmen, auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Etat ohne Schulden gut vorangekommen zu sein. Steinbrück greift zum Tafelsilber

2009, zur nächsten Bundestagswahl, wird daraus allerdings noch nichts. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält das "für aussichtslos". Aber woher das Geld nehmen, ohne die Bürger gänzlich zu verschrecken? Zur Haushaltssanierung wird nun überlegt, Staatsvermögen in zweistelliger Milliardenhöhe zu verkaufen und 8000 Beamtenstellen zu streichen. Das soll aus einer internen Liste des Finanzinisteriums hervorgehen. Der rote Kassenwart Steinbrück kann dabei auf Unterstützung der Kanzlerin bauen, die die Sanierung der Finanzen "auch als eine moralische Aufgabe gegenüber unseren Kindern und Enkeln" sieht. Also sollen für nächstes Jahr Privatisierungserlöse von 20 Milliarden Euro geplant sein. 2007 will der rote Kassenwart dann Staatsbesitz im Wert von 19 Milliarden Euro verkaufen, darunter Post- und Telekom-Aktien sowie Immobilien. 2008 und 2009 wird dann wohl weiteres Tafelsilber für insgesamt 15 Milliarden Euro veräußert. Alles in allem würden die Erlöse damit in vier Jahren stolze 54 Milliarden Euro ergeben - und Steinbrück bei der Etat-Sanierung ein gehöriges Stück voranbringen. Übrigens: Auch sein Vorgänger Hans Eichel griff gerne zu dem Mittel der Privatisierungen, wenn er nicht mehr weiter wusste. Damals wurde er deshalb von der Opposition aber stets als unseriöser Trickser abgekanzelt. Auch Einsparungen bei den Bundesbeamten sollen in dem Sparpaket enthalten sein. Nicht nur das Weihnachtsgeld soll halbiert, sondern die Zahl der Beamten bis 2010 um 2,5 Prozent reduziert werden. Damit wären 8000 Stellen betroffen. Derweil geht bei Schwarz-Rot allerdings die Sorge um, den Bürger zu überfordern, der ja eben noch die geplante Streichung der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr verdauen muss - was die Fahrkarten verteuern wird. Allen voran der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck mahnt zur Besonnenheit. Denn etliche Maßnahmen würden noch diskutiert. "Wir sollten nicht auf jedes Ross, das da jetzt vorbeiläuft, draufspringen", wünscht sich Platzeck. Bei allein 200 Seiten Koalitionsvertrag eine kaum erfüllbare Bitte.

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