Merkel trifft Trump und ist um Harmonie bemüht

Washington · Wie das in der diplomatischen Praxis aussehen soll mit dem Blick nach vorn, hat Peter Wittig schon einmal vorgemacht. Noch bevor Angela Merkel in Washington landet, setzt sich der deutsche Botschafter in ein Studio des hochseriösen Fernsehkanals PBS und vermeidet es demonstrativ, irgendetwas Negatives über Donald Trump zu sagen.

Der hatte, als er noch Präsidentschaftskandidat war, die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin eine Schande genannt. Er wisse nicht, was zum Teufel sie sich dabei denke, hatte er im Wahlkampf getönt, "am Ende wird das deutsche Volk diese Frau stürzen". Darauf angesprochen, kommentiert Wittig die Zitate mit höflichem Schweigen. Und dem Hinweis darauf, dass die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 etwas Außergewöhnliches gewesen sei, während sich die Lage seither normalisiert habe.
Den Blick nach vorn richten, miteinander zu reden statt übereinander, hat Merkel in gewohnter Nüchternheit als Motto für ihre Reise über den Atlantik ausgegeben. Für den Antrittsbesuch bei einem Mann, dessen Stab seit Tagen damit beschäftigt ist, eine der schrillsten aus einer langen Serie schriller Behauptungen zu rechtfertigen.
Trump hat Barack Obama vorgeworfen, ihn in seinem New Yorker Hochhaus abgehört zu haben. Selbst die Vorsitzenden der Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus, beides Republikaner, haben inzwischen erklärt, dass es nicht den geringsten Hinweis auf eine solche Lauschaktion gibt.
Statt seine steile These zurückzunehmen, setzt der Präsident immer neue Gerüchte in die Welt. Mal heißt es, das mit den Wanzen sei eher generell im Sinne einer Überwachung gemeint: Man könne etwa auch Mikrowellengeräte benutzen, um jemanden zu observieren. Dann wieder sagt Regierungssprecher Sean Spicer, der britische Abhörgeheimdienst habe Trump im Auftrag Obamas belauscht - wofür sich das Oval Office am Freitag in aller Form entschuldigen musste.
Es ist ein bizarres Umfeld, in dem Merkel, der Inbegriff unprätentiöser Sachlichkeit, auf den kapriziösen Rechthaber im Oval Office trifft. Erst ist ein halbstündiges Vieraugengespräch anberaumt, zu dem im Anschluss die engsten Berater dazukommen. Es folgen eine Runde mit Wirtschaftsvertretern und Auszubildenden, unter anderem zum Thema Berufsausbildung, danach eine Pressekonferenz und ein Arbeitsmittagessen.
Merkel hat drei Konzernchefs in ihrem Tross, Harald Krüger von BMW, Joe Kaeser von Siemens und Klaus Rosenfeld vom Autozulieferer Schaeffler. Offenbar sollen sie dem Protektionisten Trump vor Augen führen, wie schädlich ein Handelskonflikt wäre.
In einer noch druckfrischen Broschüre der deutschen Handelskammern in den USA ist zu lesen, dass Unternehmen aus Germany in den Vereinigten Staaten 672 000 Menschen beschäftigen und damit nach britischen und japanischen Firmen drittgrößter ausländischer Arbeitgeber sind. Nationalistische Parolen, lautet die Botschaft, ignorieren die Realität der Globalisierung. Es gehe ums Kennenlernen, man wolle eine persönliche Chemie aufbauen, war vor Merkels Atlantikflug aus deutschen Regierungskreisen zu hören. Auf der Basis eines gewissen Vertrauens lasse sich schließlich leichter über Probleme reden. Diplomatische Harmonieübungen, wohin man schaut.
Trump wolle auf einer festen Allianz aufbauen, betont seinerseits das Weiße Haus. Er wolle die Deutschen aber auch dazu anhalten, mehr Geld für Verteidigungszwecke auszugeben, damit sie den Amerikanern im Rahmen der Nato finanzielle Lasten abnehmen.
Im Übrigen lege er gesteigerten Wert auf den Erfahrungsschatz der Kanzlerin: Sie solle ihm raten, wie man am besten mit Wladimir Putin umgehe. In Wahrheit, schreibt die New York Times in einer eher skeptischen Analyse, handle es sich bei Merkel und Trump nicht nur um zwei grundverschiedene Charaktere. Es handle sich um zwei Politiker, die in einigen zentralen Fragen nicht übereinstimmten - in Sachen Nato, Europäische Union und Welthandel.
Markus Kerber, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sitzt in der zwölften Etage eines sterilen Büroklotzes in der Nähe des Weißen Hauses und warnt vor einem Folterinstrument. Vor einer steuerpolitischen Keule, die unter dem Fachwort "Grenzausgleichsteuer" firmiert. Sie läuft darauf hinaus, dass Exporte weitgehend von Steuern befreit, Importe dagegen belastet werden.
Sollte das Kabinett Trump eine solche Steuer einführen, sagt Kerber, dann müssten alle anderen folgen. "Und das", fügt er ohne verbale Verrenkungen hinzu, "wäre das Ende des Handels, wie wir ihn kennen".

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