Merkel übt den Feinschliff

Berlin . Die Union hat offenbar Mühe, ihre Personalfragen bis Montag zu klären. Über die Posten im künftigen Bundeskabinett wird heftig gerangelt.

Warum unbedingt erst am Montag, wo doch die SPD ihre Ministerriege längst vorgestellt hat? CDU-Generalsekretär Volker Kauder fiel gestern auf diese Frage keine überzeugende Antwort ein: "Frau Merkel hat sich so entschieden." Frau Merkel geht damit aber auch ein gewisses Risiko ein: An Wochenenden sind Politiker geschwätziger, weil man dadurch schnell auf die Titelseiten der beliebten Sonntagszeitungen gelangt. Vorneweg die CSU-Granden, wie man bei der CDU befürchtet. Also kann es sein, dass vieles von dem, was die designierte Kanzlerin noch in Gesprächen an Personalplanung festzurren will, flugs an die Gazetten weitergegeben und kommentiert wird. Merkel läuft Gefahr, dass ihre Kabinettsliste zerredet oder die Spekulationen um die Besetzung von Posten weiter ins Kraut schießen. Dennoch bleibt sie stur. Das zeigt, wie groß die Schwierigkeiten und Widerstände sind, die die künftige Kanzlerin im eigenen Lager noch ausräumen muss. Noch hat sich die CDU-Chefin nicht endgültig auf die Besetzung der Unionsministerien in einer Großen Koalition festgelegt. Doch sie ist unter Druck: Durch die "respektable" Riege der Genossen und die unionsinternen Rangeleien muss Merkel eine umso überzeugendere Truppe präsentieren. Laut dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger "ist einiges im Fluss". Insbesondere die einflussreichen Landesverbände und ihre Abgeordneten in den Landesgruppen in Berlin erwarten nämlich allesamt bei der Verteilung der wenigen Posten adäquat berücksichtigt zu werden.Das ist die heikle Grundforderung an Merkel. Doch selbst innerhalb der einzelnen Landsmannschaften herrscht Uneinigkeit, wen man im Kabinett sehen will - zum Beispiel in der niedersächsischen: Ein CDU-Mitglied aus seinem Bundesland werde der Regierung auf alle Fälle angehören, meinte gestern der mächtige Ministerpräsident Christian Wulff. Bislang galt Ursula von der Leyen gesetzt als Familienministerin, doch es rumort gegen Wulffs Lieblingskandidatin, die sich zu gerne selbst darstelle. Also ist nun der Hannoveraner Friedbert Pflüger, Außenexperte, wieder für ein Amt (Verteidigung?) im Gespräch. Er wiederum soll aber kein Freund des Ministerpräsidenten sein. So oder so ähnlich lässt sich das fast bei jedem Namen durchdeklinieren, der derzeit kursiert. Die Gemengelage für die Personalplanerin Merkel stellt sich des weiteren momentan so dar: Aus Baden-Württemberg werden drei Kandidaten für hochrangige Posten gehandelt - Volker Kauder, Annette Schavan (Bildung), Wolfgang Schäuble (Inneres). Am Donnerstag galt es noch als sicher, dass Kauder neuer Fraktionsvorsitzender werden würde. Gestern war zu hören, dass es innerhalb der Unionsfraktion Widerstand geben solle, weil Kauder für den misslungen Wahlkampf verantwortlich zeichnet. Schavan wird überdies inzwischen als Kulturstaatsministerin gehandelt, womit Merkel für den Länderproporz wieder Manövriermasse hätte. Vieles beim personellen Feinschliff hängt zudem an der CSU: Wolfgang Schäuble soll nach Merkels Willen unbedingt Innenminister werden. Da Edmund Stoiber "Superwirtschaftsminister" (Wulff) wird, will sie definitiv der Schwester kein weiteres Schlüsselressort überlassen. Deshalb könnte Horst Seehofer Verbraucherschutz- und Agrarminister werden. Es gibt jedoch erhebliche Abneigung gegen den "Querulanten", der im vergangenen Jahr in der Gesundheitspolitik quer geschossen hatte.

Abseits davon scheint sich der erste große Konflikt für die Koalitionsverhandlungen aufzutun, die ebenfalls am Montag beginnen. Merkel will die "Querschnittsaufgabe" Aufbau Ost ins Kanzleramt holen, der dafür zuständige, designierte SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee lässt wissen, mit ihm sei das nicht zu machen. Zoff ist programmiert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort