Merkel zum ersten Mal seit acht Monaten zu Besuch bei den Liberalen

Mit ihrem Gastspiel bei der FDP-Fraktion sorgt Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Regierungskoalition für gute Stimmung. Merkels Besuch ist der erste seit acht Monaten.

Berlin. (wk) Jörg van Essen, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, ist gemessenen Schrittes zu Raum N3001, CDU/CSU-Fraktion, gegangen, als Abholer. Geduldig wartet er draußen. Als es immer länger dauert, guckt er erst auf seine Uhr, dann zieht er seine Jacke gerade, dann die Finger. Er wirkt nervös wie ein Bräutigam, den langsam die Sorge beschleicht, sie könne es sich doch anders überlegt haben.

Endlich geht die Tür auf, und die Kanzlerin kommt raus. Zusammen gehen sie die 35 Meter rüber zu Raum N3039, FDP-Fraktion. Etwa 30 Kameras filmen das Ganze. Angela Merkel sagt noch, "hej, jej, jej, was für ein Auftrieb", dann verschwindet sie im Saal der Liberalen.

Im Flur geht eine andere Tür auf, aus der Philipp Rösler tritt, FDP-Gesundheitsminister. Er geht zur CDU/CSU-Fraktion.

So sieht er aus, der Sommer der schwarz-gelben Koalition. Man besucht sich gegenseitig, nach acht Monaten zum ersten Mal. Nie war Helmut Kohl bei der FDP, nie Angela Merkel zu Zeiten der großen Koalition bei der SPD. Nur Gerhard Schröder war einmal bei den Grünen. Das war ja auch so eine Krisenkoalition.

Der Schock der drei Wahlgänge in der Bundesversammlung sitzt tief. Vielleicht war er auch heilsam. Einer der Teilnehmer berichtet, dass die Spitzenrunde, die am Morgen über die Gesundheitsreform beraten hat, "richtig kollegial, manchmal sogar fröhlich" miteinander gesprochen hat.

Ein anderer aus der Führung wählt für die Regierungspolitik das Bild einer Blüte, die bisher wegen des schlechten Wetters verschlossen geblieben sei. "Aber jetzt, wo der Streit vorbei ist, entfaltet diese Blüte ihre ganze Pracht".

Bei der FDP klatscht erst mal keiner, als Angela Merkel hereinkommt. Die Liberalen hatten die Idee für den politischen Partnertausch schon vor drei Wochen. "Endlich mal miteinander reden statt übereinander", sagt die FDP-Abgeordnete Elke Hoff zur Begründung, und ihr Generalsekretär Christian Lindner findet, das solle man ruhig regelmäßig machen, "immer vor der Sommer- und vor der Weihnachtspause".

Als die Türen zu sind, weicht die Beklemmung. Man hört Beifall, denn Merkels Bekenntnis zum Regierungsbündnis wird als stark empfunden. Das sei immer ihre Wunschkoalition gewesen, sagt sie. "Schon als ich CDU-Generalsekretärin war". Zwei Stunden bleibt Merkel da, und alle, die zwischendurch rauskommen, sagen: "Sie gibt sich wirklich Mühe".

Also Flower-Power bei Schwarz-Gelb vor der Sommerpause, Peace. Wären da nicht einige Christsoziale, die den Journalisten erklären, dass das nicht lange gutgehen werde, wenn der Rösler weiter die Einigung über den Zusatzbeitrag als Gesundheitsprämie verkaufe, was er natürlich eben in der Fraktion nicht gemacht habe, aber draußen an den Mikrofonen.

Wäre da nicht CDU-Umweltminister Norbert Röttgen, der sagt, die Brücke für die Atomenergie müsse "möglichst kurz" sein, so acht bis zehn Jahre Laufzeitverlängerung, während Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zur gleichen Zeit 20 Jahre fordert. "Sonst gehen wir baden".

Baden gehen, das wäre jetzt vielleicht wirklich keine schlechte Idee.

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