Merkels neue "Führungsreserve"

Berlin · Die Kanzlerin und ihr Personal - bei der CDU tut sich was.

Berlin Im März des letzten Jahres sah die Welt für die Union noch ganz anders aus. Da hatte CDU-Hoffnungsträgerin und Parteivize Julia Klöckner gerade den sicher geglaubten Sieg bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz vergeigt. So richtig drängte sich damit niemand mehr auf, Angela Merkel irgendwann zu beerben. Doch das hat sich geändert. Plötzlich verfügt die CDU über eine neue "Führungsreserve", die sich bemerkbar macht.
17 Jahre führt Merkel jetzt die CDU, zwölf Jahre ist sie Kanzlerin. Und laut den derzeitigen Umfragen stehen die Chancen gut, dass sich daran nach der Bundestagswahl am 24. September nichts ändert. Merkel betont zwar, sie trete für volle vier Jahre an, doch ein Wahlsieg würde zwangsläufig die Frage aufwerfen, wer wann ihr Nachfolger wird, und wie die Kanzlerin und CDU-Chefin ihren eigenen Abgang gestalten könnte.
Früher hieß es in der Partei, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Maizière seien die aussichtsreichsten Kandidaten, falls überraschend ein Merkel-Ersatz gefunden werden müsse. De Maizière genießt in der Union deutlich mehr Wertschätzung als die eher unbeliebte von der Leyen. Beide wurden aber auch stets wegen des dünnen Personaltableaus der Konservativen genannt. Die drei gewonnenen Landtagswahlen in diesem Jahr im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen haben nun das innerparteiliche Machtgefüge anders tariert, es gibt wieder andere potenzielle Kandidaten.
Wie der neue schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, gerade mal 44 Jahre alt. Er ließ jetzt in einem Interview wissen, "dass sich - historisch untypisch - während einer CDU-Kanzlerschaft eine neue Riege von Ministerpräsidenten aufbaut, die zusammen mit vielen weiteren jüngeren Leuten in Regierungsverantwortung eine Fülle von Potenzial für eine Nach-Merkel-Ära garantieren". Da strebt jemand offenkundig nach mehr Bedeutung in der Partei. Er selbst, so Günther, gehöre zur "Führungsreserve der CDU". Gleiches gilt aber auch für Armin Laschet, der im Mai in Nordrhein-Westfalen überraschend Ministerpräsident wurde. Laschet ist zwar schon Parteivize, aber als Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes hat er enorm an Einfluss gewonnen. So auch die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die trotz des Schulz-Effektes im März ihr Amt der Ministerpräsidentin verteidigen konnte. Das hat sie noch mächtiger gemacht. Sie und Merkel sind sich im Stil und im Politikverständnis zudem sehr ähnlich, beide können gut miteinander.
Laut Günther gehört zur "Führungsreserve" freilich auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Der forsche Staatssekretär im Finanzministerium ist in der Tat karrierebewusst, er ist einer, der sich zu Höherem berufen fühlt. Wobei es um das Verhältnis zu Angela Merkel nicht sonderlich gut stehen soll. Dem Vernehmen nach trägt die Kanzlerin Spahn nach, dass er auf dem Essener Bundesparteitag im Dezember vergangenen Jahres gegen ihren Willen die Entscheidung für die Abschaffung des Doppelpasses herbeiführte. Auch hat er Merkel mehrfach für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert. Spahn ist 37 Jahre alt, im Berliner Betrieb, in dem er nicht nur Freunde hat, ist er gut vernetzt. Außerdem ist er an der Basis ein gern gesehener Redner. Fest steht jedenfalls, dass die Kanzlerin nach einem möglichen Wahlsieg einige Karten neu mischen muss. Manch einer in der Union spricht sogar von einem Generationswechsel, den Merkel dann einleiten müsse. Zum Beispiel im Kabinett: So sind von den sechs CDU-Ministern drei schon deutlich über 60 Jahre alt, Finanzminister Wolfgang Schäuble wird im September sogar 75.

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