Mini-Jobs sollen attraktiver werden

Berlin · Die Pläne der schwarz-gelben Koalition für eine Ausweitung der Einkommensgrenze bei Mini-Jobs von 400 auf 450 Euro stoßen bei Arbeitsmarktexperten und der Opposition auf Ablehnung.

Berlin. Auf Dringen der FDP sollte eigentlich schon zum 1. Juli eine neue Einkommensgrenze bei Mini-Jobs festgeschrieben werden. Doch die Union trat lange Zeit auf die Bremse, weil man dort nicht unbedingt glücklich über das Vorhaben ist. In der Vorwoche jedoch haben sich die Liberalen durchgesetzt. Demnach sollen ab 1. Januar 2013 nicht nur Mini-Jobber mehr Geld steuer- und sozialabgabenfrei verdienen dürfen. Auch bei den sogenannten Midi-Jobs, für die allmählich steigende Sozialbeiträge fällig werden, verändert sich der Einkommenskorridor. Künftig liegt er zwischen 450 und 850 Euro (jetzt 400 bis 800 Euro).
Diese Ausweitung sei "grundfalsch", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, unserer Zeitung. Besonders für Frauen stelle diese Art der Beschäftigung eine "berufliche Sackgasse" dar. Bei der SPD sprach man ebenfalls von einem arbeitsmarktpolitischen Irrweg.
Zu der Tatsache, dass beide Parteien die massive Ausweitung der Mini-Jobs in ihren Regierungszeiten einst selbst beschlossen hatten, meinte Pothmer: "Die Hoffnung, die damit verbunden war, nämlich eine Brücke in normale Beschäftigung zu bauen, hat sich nicht erfüllt". Nötig seien Jobs, von denen die Menschen auch leben könnten.
Rückendeckung bekommt die Opposition von wissenschaftlicher Seite. Nach Einschätzung von Helmut Rudolph, Gruppenleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, ist das Regierungsvorhaben deshalb problematisch, "weil man damit die Geschäftsgrundlage für die Sozialversicherung weiter aushöhlt". Absehbar sei eine weiter steigende Zahl von Mini-Jobbern, die von Sozialbeiträgen befreit sei, weshalb am Ende auch weniger Geld in die Sozialkassen komme.
Ende 2011 gab es rund 7,5 Millionen Mini-Jobber - an die 120 000 mehr als ein Jahr zuvor.
Laut Herbert Buscher, Arbeitsmarktexperte am Hallenser Institut für Wirtschaftsforschung (IWH), bedeutet die Anhebung der Einkommensgrenze zunächst einmal eine Ersparnis für den Staat. Denn je höher der Verdienst im unteren Lohnbereich liegt, desto weniger werden aufstockende Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums notwendig. "Allerdings sollte man sich generell vom Niedriglohnsektor verabschieden und stattdessen den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung stärken", rät Buscher. "Weil Mini-Jobber im Alter keinen oder nur wenig Anspruch auf Rente haben, fallen sie dem Staat dann nämlich wieder auf die Füße."
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach wandte sich gegen die Erwartung steigender Bezüge im Niedriglohnsektor. "Die Behauptung, die Erhöhung der Mini-Job-Grenze von 400 auf 450 Euro würde zu Einkommenserhöhungen führen, ist eine groteske Irreführung", sagte sie unserer Zeitung. Mini-Jobber bekämen nicht 400 Euro, nur weil dort die Subventionsgrenze verlaufe. "Im Westen bekommen sie im Schnitt nur 265 Euro, in Ostdeutschland nur 215 Euro", so Buntenbach. Damit seien Mini-Jobs "ein Mittel zum Lohndumping, von dem einzig die Arbeitgeber profitieren".

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