Minister Ahnungslos

Da schließt die Regierung mit den Atomkonzernen einen Vertrag, und der federführende Minister ist außen vor. Die SPD sieht Bundesumweltminister Norbert Röttgen schwer beschädigt.

Berlin. Was ist nur mit Norbert Röttgen los? Diese Frage stellen sich derzeit viele bei Union und FDP, während aus dem Lager der Opposition immer häufiger zu hören ist, der Umweltminister mache sich nur noch "lächerlich". So wie angeblich gestern bei einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Bundestags-Umweltausschusses zur Atomvereinbarung zwischen Koalition und Konzernen. Konkret ging es dabei um die Details des "Geheim-Vertrags", demzufolge die Kosten für Sicherheitsnachrüstungen pro AKW auf 500 Millionen Euro gedeckelt werden. Und Röttgen sorgte mit seinem Auftritt im Ausschuss für eine faustdicke Überraschung.

Nach einer halben Stunde drangen aus dem Sitzungssaal bemerkenswerte Erkenntnisse nach außen. Röttgen als zuständiger Minister gab zu Protokoll, er sei gar nicht an dem Atom-Vertrag beteiligt gewesen. Auch kenne er nicht die Namen der fünf Unterzeichner des geheimen Abkommens. Noch etwas sorgte für Verwunderung: Der CDU-Politiker bestätigte, dass sich die Regierung bei der geplanten Verabschiedung längerer Atomlaufzeiten von im Schnitt zwölf Jahren ohne Beteiligung des Bundesrates nur auf mündliche Einschätzungen von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stütze.

Die Opposition schäumte: "Es ist schlicht unvorstellbar, dass der für Reaktorsicherheit zuständige Minister nicht an den Verhandlungen der Bundesregierung beteiligt wird", wetterte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Röttgen verteidige ein aus seiner Sicht falsches Atom-Konzept.

Da ist etwas Wahres dran. Der Minister war stets für eine deutlich geringere Laufzeitverlängerung, was in der Vergangenheit für viel Unmut in der Koalition gesorgt hat. Nun muss er durchschnittlich zwölf Jahre als sinnvoll verkaufen. Röttgen steht unter Beobachtung.

Als am Wochenende kolportiert wurde, er habe vor Umweltpolitikern der NRW-CDU gesagt, das Bundesverfassungsgericht werde den Plan kassieren und es werde wohl auf nur fünf Jahre längere Laufzeiten hinauslaufen, hielten viele eine solche Einschätzung konträr zur Regierungslinie für möglich. Röttgen ließ dementieren. Angeblich wurde er am Montag in der Unionsfraktion nach dieser Äußerung gefragt, er soll aber geschwiegen haben.

Parteiintere Kritiker werfen ihm vor, er wolle den Kompromiss torpedieren, was er bestreitet. Fakt ist: Der Umweltminister möchte Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen CDU werden, genauso wie Armin Laschet.

Durchaus möglich, dass andere Protagonisten Gerüchte streuen, um den Wahlausgang zu beeinflussen.

Genauso möglich ist aber, dass Röttgen sich in der Atomfrage um "Kopf und Kragen" redet.

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