Minister läuft nicht davon

BERLIN. Schmeißt Hans Eichel den Bettel hin? Ein neuer Schuldenrekord in diesem Jahr und der jüngste Ärger um die Rentenfinanzen könnten tatsächlich der sprichwörtliche Tropfen sein, der für den Kassenwart der Nation das Fass zum Überlaufen bringt.

Eine Zeitung wollte jedenfalls erfahren haben, dass der Kanzler um Eichels Amtsverbleib bangt, falls Sozialministerin Ulla Schmidt den zugesagten Sparbeitrag von zwei Milliarden Euro nicht liefert. "Da geht es jetzt ums Prinzip", wurde eine Mitarbeiter Eichels zitiert. Der Minister selbst ließ die Darstellungen umgehend als "großen Unsinn" dementieren. Schon am Mittwochabend hatte er im Fernsehen betont: "Man kann nicht einfach davon laufen, wenn es eng wird. Ich werde schließlich nicht dafür bezahlt, dass ich im Büro Spaß habe". Eichels Kontroverse mit Ulla Schmidt ist wahrlich kein Vergnügen. Beobachter halten es deshalb für möglich, dass die angebliche Drohung bewusst als Druckmittel für die entscheidende Rentenklausur des Kabinetts am Sonntag gestreut wurde. Zwar gilt der Finanzminister als treuer Diener Gerhard Schröders. Doch die Demütigungen der letzten Monate zerren am Nervenkostüm des Hessen. Nicht nur, dass er sich von allen hochfliegenden Sparzielen verabschieden musste. Auch seine Gemeindefinanzreform wurde gehörig durch den Fleischwolf der Koalitionsfraktionen gedreht. Außerdem konnte sich der Finanzminister schon bei der Tabaksteuer nicht gegen Ulla Schmidt durchsetzen. "Natürlich ist Eichel sauer", konstatiert die grüne Haushaltsexpertin Antje Hermenau. Das Kabinett verhalte sich nicht immer solidarisch mit ihm. "Für Frau Schmidt gilt das im besonderen Maße". Wie die meisten Finanzpolitiker steht auch Hermenau hinter der Zwei-Milliarden-Forderung des Ministers. Zumal Eichel dabei schon genug Federn gelassen hat. Am Anfang der Haushaltsverhandlungen pochte er bei Ulla Schmidt noch auf satte sieben Milliarden Euro. Dann schrumpfte der Sparbetrag auf vier Milliarden. Als sich die Sozialministerin immer noch quer stellte, sprach der Kanzler ein Machtwort. Gleichwohl hofft Schmidt immer noch, das Finanzopfer abzuwenden. Dabei weiß sie die SPD-Sozialpolitiker an ihrer Seite. "Wer die zwei Milliarden weg nimmt, der muss auch den Beitrag erhöhen", meint der Abgeordnete Klaus Kirschner. Zugleich hofft man im Sozialministerium auf den grünen Parteichef Reinhard Bütikofer, der der Beibehaltung des Rentenbeitragssatzes von 19,5 Prozent "absolute Priorität" einräumt. Setzt Eichel sich durch, wird es mit der Beitragsstabilität zweifellos schwieriger. Die Löcher in der Rentenkasse sind ohnehin schon groß genug. Andererseits hat der Finanzminister die zwei Milliarden Euro bereits im Haushalt 2004 eingeplant.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort