Mit dem Kopf durch die Wand

Berlin. Im Koalitionsstreit um Ökosteuer und Energiepolitik ringt die rot-grüne Regierung um einen Kompromiss. Für viele ist der "böse Bube" Wolfgang Clement.

Für die Jusos ist Wolfgang Clement ein rotes Tuch, beim bayerischen SPD-Nachwuchs hat er sogar "Hausverbot". Diesen Bann wird der 63-jährige Wirtschaftsminister, leidenschaftlicher Gegner der Ausbildungsplatzabgabe, verschmerzen können. Nicht verkraften kann der Sozialdemokrat offenbar die Beförderung des Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering zum neuen Parteichef der SPD. Zwar droht Clement offiziell nicht mehr mit Rücktritt vom Vize-Vorsitz der Partei, doch dafür kanalisiert er seinen Ärger über den eigenen Bedeutungsverlust anderweitig: Er streitet mit dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin, blockiert den Emissionshandel und stellt die Ökosteuer in Frage. Er will "zu oft mit dem Kopf durch die Wand", sagt einer, der ihn gut kennt. Tatsächlich ist Clement ein Hitzkopf, dessen Leitspruch ihn zutreffend charakterisiert: "Herr, gib mir Geduld. Aber sofort!" Zeit seines Lebens ging es dem gelernten Journalisten nicht schnell genug, stets scharrte er unruhig mit den Füßen. Diese Eigenart hat ihn vor ein paar Jahren beinahe von seinem Freund Johannes Rau entfremdet: Als der damalige NRW-Ministerpräsident nicht rasch genug dem Kronprinzen Clement Platz machen wollte, ließ der unduldsame Clement den geduldigen Rau seinen Frust spüren und belastete damit das bis dato gute Verhältnis. Schließlich wurde er (1998) doch noch Regierungschef - und übte das Amt recht rustikal in der Art eines Vorstandsvorsitzenden aus. Statt den mühsamen Weg politischer Kompromisse zu wählen, zankte er fortwährend mit dem grünen Koalitionspartner. In Berlin legt er sich auch gern mit den Ökopaxen an, insbesondere mit Umweltmini-ster Jürgen Trittin, dessen provozierend ruhige Art ihm auf die Nerven geht. Ganz zu schweigen von Trittins Umwelt-Projekten - die allerdings erklärte Politik der Koalition sind und auch von der SPD-Fraktion in der "Energiepolitischen Agenda" groß gefeiert wurden. Doch Clement will davon nicht viel wissen. Ihm sind die Instrumente für eine nachhaltige Energiepolitik - Kraft-Wärme-Kopplung, Erneuerbare Energien, Ökosteuer, Emissionshandel - ein Dorn im Wettbewerbs-Auge. Würde dies alles umgesetzt, so sein Plädoyer, dann nähme die deutsche Wirtschaft Schaden, die sich ja gegen internationale Konkurrenz behaupten müsse. Auf jeden Fall hat Kanzler Schröder ein Problem. Clements Forderung, bei einem Funktionieren des Emissionshandels bis zum Jahr 2007 die Ökosteuer zu "überprüfen", hat die Umweltpolitiker der Koalition in helle Aufregung versetzt. "Bei uns wächst der Unmut über seine Extra-Touren", sagt der SPD-Abgeordnete Detlev Albers.

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