Mit einer Hand fällt’s Lenken schwer

Freiburg/Trier · Das Tippen kann tödlich enden: Weil Autofahrer immer häufiger zu Handy oder Smartphone greifen, steigt die Unfallgefahr. Die Polizei versucht, gegenzusteuern. Aber nur ein Bruchteil der Handy sünder wird ertappt.

 Gefährlich – und verboten: das Benutzen des Handys am Steuer. Und das gilt nicht nur fürs Telefonieren.TV-Foto: Klaus Kimmling

Gefährlich – und verboten: das Benutzen des Handys am Steuer. Und das gilt nicht nur fürs Telefonieren.TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: (g_pol3 )

Freiburg/Trier. Hand und Ohr sind am Mobiltelefon, die Gedanken beim Gesprächspartner: Vom Straßenverkehr bekommt die junge Mutter am Lenkrad wenig mit, ihre Konzentration gilt dem Telefonat. Als die Polizei ihr Auto von der Straße winkt, hat die Frau Mühe, rechts ranzufahren. Mit einer Hand lenkt es sich schwer. "Ich weiß", sagt sie den Polizisten: "Aber es ist wichtig." Und telefoniert weiter, ohne die Beamten zu beachten. Die Polizei, die am Straßenrand eine Kontrollstelle eingerichtet hat, muss warten.
Steigende Unfallgefahr


"Wir haben es mit einem Phänomen zu tun, das uns große Sorge bereitet", sagt Peter Veeser. Der 60 Jahre alte erste Hauptkommissar ist seit 37 Jahren Verkehrspolizist. "Die Ablenkung am Steuer hat eine Dimension angenommen, wie wir sie bislang nicht kannten", sagt er. "Dadurch steigt die Unfallgefahr."
Die Polizei versucht nun, gegenzusteuern - und hat den Kampf gegen Handynutzung am Steuer vielerorts zu einem Schwerpunkt gemacht.
Gemeinsam mit Kollegen kontrolliert Veeser Autofahrer, die während der Fahrt zu Handy, Smartphone oder Tablet greifen - an diesem Tag in Freiburg. Im Minutentakt ertappt ein Beamter in Zivil Verkehrssünder, Veeser winkt sie mit der Polizeikelle an den Straßenrand.
"Früher diente das Handy allenfalls zum Telefonieren", sagt der Polizist: "Mit zunehmender Digitalisierung und verbesserter Technik sind die Geräte nun aber zum ständigen Begleiter geworden und werden auch von Autofahrern genutzt." Es wird telefoniert, getippt, gegoogelt, gechattet, gewischt, gesurft, gescrollt - selbst während der Fahrt. Doch das ist verboten. Die Polizei hat ein Auge darauf. Besonders dreist ist an diesem Tag ein Mann. Er telefoniert mit dem Handy in der linken Hand, hält in der rechten Hand seinen morgendlichen Frühstückskaffee und lenkt mit seinen Knien das Auto durch den dichten Stadtverkehr - ein gefährliches Manöver.
"Die Gefahr, die durch Ablenkung am Steuer ausgeht, wird unterschätzt", sagt Veesers Kollege Markus Häringer. "Wir wollen deshalb sensibilisieren und auf das hohe Unfallrisiko, das von Handynutzung ausgeht, aufmerksam machen."
Verlässliche Zahlen gibt es nicht, die Dunkelziffer ist groß. Der ADAC schätzt, dass in Deutschland jeder zehnte Unfall auf unzulässige Handynutzung am Steuer zurückzuführen ist. "Die meisten Autofahrer wissen genau, wieso wir sie anhalten. Sie wissen, dass es verboten ist - machen es aber trotzdem", sagt Polizist Häringer. Regelmäßige Kontrollen könnten helfen, ein Umdenken zu erreichen und so die Verkehrssicherheit zu erhöhen, meint der Beamte. Schreibt ein Autofahrer zum Beispiel eine Textnachricht, verlangt dies laut einer Studie der Technischen Universität Braunschweig 70 Prozent seiner Aufmerksamkeit, das Telefonieren rund 62 Prozent.
"Diese Aufmerksamkeit hat er dann nicht für den Straßenverkehr", sagt Veeser: "Bremst vor ihm ein Fahrzeug ab oder rennt gar ein Kind auf die Straße, reicht es nicht mehr, um zu reagieren." Fahrer, die mit Handy in der Hand ertappt werden, erhalten von den Polizisten mahnende Worte. Sie müssen 60 Euro Bußgeld bezahlen und bekommen einen Punkt in der Zentralen Verkehrssünderdatei in Flensburg. Kassiert wird bei den Kontrollen meist vor Ort.
"Wir wollen damit erreichen, dass Autofahrer über ihr Verhalten nachdenken", sagt Häringer: "Die Alternative ist, dass Wochen nach der Kontrolle per Post ein Bußgeldbescheid kommt. Der erzieherische Effekt ist dann weitaus geringer, als wenn direkt nach dem Verstoß bezahlt werden muss."
Doch abschreckende Wirkung habe die Geldbuße meist nicht, sagen die Beamten. Höhere Strafen würden besser wirken.
Die Bundesländer wollen noch in diesem Jahr darüber beraten, sagte eine Sprecherin des Mainzer Innenministeriums unserer Zeitung. Zahlen müssen übrigens nicht nur Auto-, sondern auch Radfahrer. Sie kommen allerdings mit einem vergleichsweise blauen Auge davon: Wer erwischt wird, dem droht ein Bußgeld von 25 Euro. Einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei bekommt er allerdings nicht.
Extra

Wer beim Autofahren telefoniert, riskiert ein Bußgeld und einen Punkt im sogenannten Fahreignungsregister, dem Nachfolger des Flensburger Verkehrszentralregisters ("Verkehrssünderkartei"). Hier wird auch die Statistik über die Anzahl der Verstöße geführt. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit demnach 363 000 Handysünder ertappt, 18 000 weniger als im Vorjahr. Rheinland-Pfalz meldete 11 250 mit Handy oder Smartphone ertappte Autofahrer, 1000 weniger als im Vorjahr. 2013 lag die Zahl der Handy-sünder aber entsprechend höher. Auch in diesem Jahr gehen die Zahlen angeblich wieder nach oben. Experten gehen ohnehin von einer hohen Dunkelziffer aus. Zudem seien die Zahlen auch davon abhängig, wie häufig kontrolliert werde. Beim Trierer Polizeipräsidium wird keine entsprechende Statistik geführt. seyExtra

Nicht nur das Telefonieren mit dem Handy ist Autofahrern hinter dem Lenkrad untersagt. Das Handyverbot verbietet auch, mit dem Mobiltelefon Fotos am Steuer zu machen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg (Az.: 2 — 86/15 (RB) — 3 Ss 155/15 OWi). Darüber berichtet der Deutsche Anwaltverein (DAV). Ein Mann hatte hinter dem Steuer seines Autos Fotos mit seinem Mobiltelefon gemacht. Er wurde dabei erwischt und bekam einen Bußgeldbescheid, gegen den er gerichtlich vorging. Doch das Gericht bestätigte das Bußgeld. Während der Fahrt dürfe ein Autofahrer das Handy nicht nutzen. Das schließt laut Gericht bereits das Aufnehmen und Halten des Geräts ein - sowie die Nutzung zur Speicherung, Datenverarbeitung und -darstellung. Demzufolge sind auch Organisations-, Diktier-, Kamera- und Spielefunktionen tabu. dpa

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