Frankreich Marine Le Pen will an die Macht

Lille · Mit einer Namensänderung will der Front National zur Regierungspartei werden.

 100 Prozent Zustimmung für Parteichefin Marine Le Pen.

100 Prozent Zustimmung für Parteichefin Marine Le Pen.

Foto: dpa/Michel Euler

Marine Le Pen hatte sich die wichtigste Nachricht bis zum Schluss aufgehoben. Mit einer Namensänderung will die Chefin des Front National mit dem Kapitel des Parteigründers Jean-Marie Le Pen abschließen. Die Formation, die ihr antisemitischer und rassistischer Vater 1972 gründete, soll ihr Schmuddelimage verlieren und endlich regierungsfähig werden. „Wir waren eine Protestpartei, dann sind wir eine Oppositionspartei geworden und nun müssen wir zur Regierungspartei werden“, forderte die 49-Jährige nach 75-minütiger Rede vor dem Parteitag in Lille. Deshalb verschwindet das Wort Front aus dem Namen. „Nationaler Zusammenschluss“ soll die Partei nun heißen, wenn die Mitglieder dem Vorschlag der Vorsitzenden zustimmen, die mit 100 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde.

„Der Name Front National ist Träger einer epischen und ruhmreichen Geschichte“, bemerkte Le Pen als Zugeständnis an alle Kritiker einer Namensänderung, die nur 52 Prozent der Mitglieder gutheißen. „Aber für viele Franzosen ist er eine psychologische Bremse.“ Und genau die will die Parteichefin nun lösen. „Der Name ist ein Appell an alle Franzosen, egal woher sie kommen, sich uns anzuschließen.“ Der Aufruf richtet sich nicht nur an die Wähler, sondern auch an andere Parteien, denn Le Pen weiß, dass ihre Wahl nicht ohne Verbündete gelingen kann.

In der Stichwahl um das Präsidentenamt im vergangenen Jahr kam sie gegen Emmanuel Macron auf rund 34 Prozent der Stimmen. An dem Stimmungsbild hat sich seither nicht viel geändert: Laut einer am Sonntag veröffentlichten Ifop-Umfrage sehen 63 Prozent der Franzosen eine Machtübernahme des FN als Gefahr für die Demokratie. „Der Front National kann seinen Namen ändern, aber er bleibt eine Partei der extremen Rechten“, twitterte die Abgeordnete Aurore Bergé von Macrons Partei En Marche. „Er muss bekämpft werden.“

Beim ersten Parteitag seit ihrer Niederlage tat sich die Parteichefin schwer, den richtigen Ton zu treffen. Ohne große Begeisterung beklatschten die Delegierten ihre Spitzen gegen „Monsieur Macron“ und das „Nomadentum“ der globalisierten Welt. Erst als sie zur Einwanderung, dem Kernthema des Front National kam, redete sich die 49-Jährige in Rage und bekam den Applaus, der an die Wahlkampfzeiten erinnerte. „Die Immigration ist nicht mehr haltbar, egal, ob legal oder illegal“, rief die Juristin ihren Zuhörern zu, die den Satz mit stehenden Ovationen quittierten. Der Saal stimmte den alten, rassistischen Slogan des Front National an: „On est chez nous“— wir sind bei uns.

Für einen Moment vergaßen die Mitglieder im Kongresspalast in Lille die peinliche Fernsehdebatte ihrer Anführerin im Wahlkampf. Jene gut zwei Stunden der missglückten Konfrontation mit Macron, die Marine Le Pen auch heute noch anhaften. Um den Blick nun nach vorne zu richten, war der Parteitagsregie ein PR-Coup gelungen: Am Samstag trat der ultrarechte Vordenker der Populisten, Steve Bannon, vor den FN-Mitgliedern auf. Und der einstige Stratege von US-Präsident Donald Trump richtete die FN-Delegierten mit Hetzparolen wieder auf. „Lasst Sie Euch Rassisten, Ausländerfeinde  nennen und tragt es als Ehrenabzeichen, denn wir werden jeden Tag stärker“, rief der Mann mit dem olivgrünen Parka seinen Zuhörern auf Englisch zu. „Die Geschichte ist auf unserer Seite und sie wird uns von Sieg zu Sieg führen.“

In Frankreich soll der Sieg nun mit einem neuen Parteinamen gelingen. Die Änderung ist Marine Le Pens letzter Bruch mit ihrem Vater, der bereits 2015 aus der Partei ausgeschlossen worden war. Der Parteitag beschloss, auch das Amt des Ehrenpräsidenten abzuschaffen, das Jean-Marie Le Pen bisher innehatte. Außer der Abkehr vom Vater hatte Marine Le Pen allerdings nichts Neues zu bieten. Unklar ist nach wie vor ihre Haltung zur Zukunft des Euro. In ihrer Rede verzichtete die Parteichefin ganz auf die Erwähnung der Gemeinschaftswährung und sagte statt dessen nur: „Wir sind keine Anti-Europäer. Wir sind gegen die Europäische Union.“

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