Mit Kopf und Köpfchen auf Mördersuche

Die Mordkommission Trier sucht in sieben Fällen von mutmaßlichem Mord nach einem Täter. Der älteste Fall liegt 21 Jahre zurück, Zeugenhinweise sind nach so langer Zeit meistens unbrauchbar. Harry Richter und Achim Müller suchen aber weiter nach Spuren - mit Erfahrung und neuester Technik.

 Rekonstruktion einer Tat: Harry Richter (links) und Achim Müller mit dem Modell eines unbekannten Toten. TV-Foto: Patrick Wiermer

Rekonstruktion einer Tat: Harry Richter (links) und Achim Müller mit dem Modell eines unbekannten Toten. TV-Foto: Patrick Wiermer

Trier. Die Güterstraße 37 ist ein typischer Funktionsbau: pflegeleichter PVC-Boden, immergrüne Pflanzen, einfache Holztüren. Doch Harry Richters Büro ist anders: Neben Spielzeugautos sind auf den Fotos an den Wänden auffällig viele lachende Menschen zu sehen. Richter ist ein sportlicher Mittfünfziger, leger gekleidet, lebenslustig. Dabei hat sein Beruf mit dem Tod zu tun.

Er ist stellvertretender Leiter des Fachbereichs K 11 der Polizei Trier, der Mordkommission.

Seit 1995 ist er dabei und hat alle der noch sieben ungeklärten Fälle von mutmaßlichem Mord im Polizeibezirk Trier untersucht. Eine geringe Anzahl: In einem durchschnittlichen Jahr wie 2009 bearbeitet das Kommissariat 22 mögliche Mordfälle, darunter drei ausgeführte Morde und zwei Totschläge. Aufklärungsquote: Deutlich mehr als 90 Prozent.

Die älteste Tat, der Mord an Beatrix Hemmerle in ihrer Trier er Wohnung, liegt mittlerweile 21 Jahre zurück. Richter war schon an den Ermittlungen beteiligt, und ist immer noch bewegt - wie immer, wenn Kinder beteiligt sind: "Es ist schrecklich, dass der damals 12-jährige Sohn den Mord an der Mutter miterleben musste."

Aber nicht nur wegen der Erinnerung ist der Fall immer noch akut. Immer griffbereit stapeln sich die Akten im Flur von K 11: Bis zu 100 Ordner pro ungeklärtem Mordfall. "Da schauen wir mindestens einmal im Jahr rein", sagt Richter. Und manchmal klärt sich ein Mord auch später auf, wie im Falle der Tötung der kleinen Daniele Bauer im Jahr 1980. Zehn Jahre später ist der Täter wegen eines anderen Delikts aufgefallen. "Er hat sich in der Nähe von Spielplätzen aufgehalten und plante wohl einen sexuellen Missbrauch an einem Kind", sagt Richter.

Routine trifft auf Ermittlungstechnik



Mord verjährt nicht - das gilt auch für eingehende Hinweise: "Es vergeht kein Monat, in dem es keine neuen Tipps gibt", sagt Richter.

Doch anders als in den Fernsehkrimis seien diese fast nie verwertbar. Vielversprechender als Hinweise von Zeugen ist daher eine Methode, die nur wenig Romantik versprüht: "Wir gehen aktuelle Fälle durch und suchen nach Parallelen zu den ungeklärten Fällen in unserer Region." Das funktioniert über einen bundesweiten elektronischen Datenaustausch und über die Bundeskriminalblätter, in denen die Polizeibezirke intern und bundesweit Fahndungen und auffällige Tatsachverhalte veröffentlichen.

Um Parallelen zu erkennen, brauche es viel Routine, sagt Richter. Manchmal helfen aber auch neuere wissenschaftliche Methoden. Achim Müller betritt das Büro. Unter dem Arm trägt der 61-jährige Kripobeamte eine Holzkiste, die bei den Ermittlungen im Fall "Georg Weierbach" helfen soll. Dabei wurde 1994 in einem Waldstück bei Idar-Oberstein eine stark zugerichtete Leiche gefunden. In der Holzkiste liegt "Klaus-Dieter". Das ist der interne Name für das Kopfmodell, mit dem das Aussehen des noch unbekannten Toten rekonstruiert wurde. Unter der täuschend echt wirkenden Haut, den Haaren und den stechend dunklen Augen befindet sich der Originalschädel des Toten. Mittlerweile gibt es Klaus-Dieter auch in einer neueren Version im Internet - auf einem Phantombild. Diese Technik ist mittlerweile so fortgeschritten, dass sich sogar Hautverfärbungen und Narben detailliert zeigen lassen. Wichtigster Indiziengeber ist aber die DNA-Analyse.

Die beste Technik ersetzt aber nicht die Routine - und dazu gehört auch Menschenkenntnis. "Man baut eine Beziehung zum Täter auf", sagt Richter. Man müsse verstehen, warum er so gehandelt hat. Und weil Richter oft selbst der erste Ansprechpartner ist, schütten die überführten Täter vor ihm ihr Herz aus. Hat man nicht manchmal auch Verständnis für die Tat? Richter: "Jemanden zu ermorden ist eine ziemliche Belastung, und manche Handlungen kann man menschlich nachvollziehen. Aber Mitgefühl habe ich nicht."

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