Mit lautem Getöse

Berlin . Nur einen Tag vor dem geplanten Spitzengespräch zwischen den Vertretern der Krankenkassenverbände und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) haben sich die Fronten verhärtet.

Wie zwei Schnellzüge rasten Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und die Chefs der gesetzlichen Krankenkassen die vergangenen zehn Tage aufeinander zu. Mit lautem Getöse und ungebremst. Keine Seite war bereit, im erbittert geführten Streit über den Sinn der schwarz-roten Gesundheitsreform auch nur einen Millimeter nachzugeben. Heute und morgen soll nun der Versuch unternommen werden, das heiße Thema zu entkrampfen. Die SPD-Ministerin empfängt heute um 12.30 Uhr zunächst die Chefs der Spitzenorganisationen der Krankenkassen. Morgen folgen um 14 Uhr die Spitzenmanager der 50 größten gesetzlichen Einzelkassen. Jeweils drei Stunden will Ulla Schmidt sich Zeit nehmen. "Viel Zeit ist das", meinte gestern ein Ministeriumssprecher, "hoffentlich keine vertane Zeit". Die letzten Tage hatten etliche Juristen des Gesundheitsministeriums damit verbracht, mögliche rechtliche Schritte gegen die Kassen penibel vorzubereiten. Säuberlich wurden alle Äußerungen und Schriftstücke aufmüpfiger Kassenfunktionäre gesammelt. Es wurde geprüft, ob Kassenchefs womöglich Beiträge der Versicherten ausgeben, "um irreführende oder gar falsche Informationen" zur Reform öffentlich zu verbreiten. Im schlimmsten Fall, so heißt es, müssten die Kassen dann sogar Schadensersatz bezahlen. Zahlreiche Protestaktionen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatten vergangene Woche einen kleinen Vorgeschmack darauf gegeben, was der großen Koalition ab Mitte August an öffentlichem Ärger auch durch die Kassen ins Haus stehen könnte. Mehrfach hatten Spitzenfunktionäre der Krankenkassen anklingen lassen, dass die angepeilte Gesundheitsreform für die Versicherten nichts bringe, dass vor allem der Gesundheitsfonds ein bürokratisches und teures Monster sei. Vergangenen Freitag war dann auch ein 25-seitiges Strategiepapier der Spitzenverbände der Kassen bekannt geworden. Der geheime Aktionsplan enthält bereits detaillierte Anregungen, wie "Versicherte und Patienten für eine konsequente Ablehnung der Vorschläge mobilisiert" werden können. Angeregt werden unter anderem Informationsveranstaltungen mit Catering und bezahlten Referenten, Internet-Aktionen, Talkshow-Auftritte und Einladungen von Abgeordneten während der Sitzungswochen des Bundestages. Das Aktions-Paket soll ab Mitte August umgesetzt werden, 14 Tage vor der ersten Sitzungswoche des Bundestages nach der Sommerpause. Die Protest-Aktionen sollen bis Mitte September abrollen. In dieser Zeit soll vom Gesundheitsministerium auch der endgültige Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform vorgelegt werden. Doch dürfen die gesetzlichen Krankenkassen überhaupt auf solche Art und Weise die Trommeln rühren? Die Bundesverbände der Krankenkassen berufen sich auf das Fünfte Sozialgesetzbuch. Danach haben die Krankenkassen als "mitgliedschaftlich verfasste Körperschaften" des öffentlichen Rechts kein allgemein politisches Mandat. Paragraph 217 beschränkt die Aktivitäten der Kassenvereinigungen auf die "ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben". Als Aufgabe der Verbände wird "die Beratung und Unterrichtung" ihrer Mitglieder genannt. Nichts anderes aber sei es, wenn man in einer Informationskampagne über befürchtete Verschlechterungen aufkläre, argumentieren die Kassen. Sie befürchten, dass die geplante Einführung eines Gesundheitsfonds die Versorgung der Patienten nicht besser, sondern schlechter und teurer macht.

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