Mit Pillen gegen die Wartezeit

Obwohl ein Bedarf an weiteren Psychotherapeuten besteht, dürfen sich keine zusätzlichen Psychologen oder Psychiater in der Region niederlassen. Es gibt eine Zulassungsbeschränkung. Grund dafür ist der beschränkte Honoraretat, aus dem auch niedergelassene Ärzte bezahlt werden.

Trier. Pillen, das sei nicht unbedingt die Lösung. Die Diplom-Psychologin Gisela Borgmann-Schäfer ärgert sich, dass viele Patienten, die etwa unter Angstzuständen leiden, Psychopharmaka schlucken müssen, obwohl sich, wie die Psychologin sagt, die Krankheit gut durch eine gezielte Therapie behandeln lässt. Genau wie leichte Depressionen. Das Ziel einer Psychotherapie sei, ohne Medikamente auszukommen und damit letztlich auch Geld für die häufig sehr teuren Medikamente zu sparen. Doch die Betroffenen bekommen oft nicht schnell genug einen Therapieplatz. Denn laut Borgmann-Schäfer gibt es zu wenig Psychotherapeuten im Land.

Peter Brettler, Psychologe aus Föhren (Kreis Trier-Saarburg) spricht von einem gefühlten Mangel. Man müsse zwischen Therapiebedarf und Bedürfnis nach Therapie sowie zwischen Alltagsproblemen, Lebens- und Erziehungsberatung und krankhaften Störungen unterscheiden: "Nicht jedes Problem bedarf einer Psychotherapie."

Doch die krankhaften, behandlungsbedürftigen psychischen Störungen nehmen zu. Nach einer Studie der Krankenkasse AOK sind sie mittlerweile der vierthäufigste Grund für Erkrankungen von Berufstätigen. Bei Frühverrentungen seien sie sogar der häufigste Anlass, jeder Dritte begründe seien vorzeitigen Ausstieg aus dem Beruf mit Depressionen oder anderen seelischen Störungen. Gründe für die Erkrankungen sind laut Gewerkschaften der steigende Stress im Job und die oft mangelnde Anerkennung.

Auch die Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die eine psychiatrische oder psychotherapeutische Betreuung benötigen, nimmt zu. Gerade bei den Kinder- und Jugendpsychotherapeuten gebe es noch "einen gewissen Bedarf", sagt Beate Fasbender, Sprecherin des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums. Auf Initiative des Landes sei vor zwei Jahren eine Mindestquote eingeführt worden. Damit soll sichergestellt werden, dass in jedem Bezirk 20 Prozent der Psychotherapeuten ausschließlich für Kinder und Jugendliche zugelassen werden.

Gerade für Jugendliche bedeute der Gang zu einem Psychotherapeuten einen "großen Schritt", sagt Borgmann-Schäfer, die auch Sprecherin der rheinland-pfälzischen Psychotherapeutenkammer ist. Wenn die jungen Menschen einer Therapie offen gegenüberstünden, dann müsse diese auch unmittelbar beginnen. "Wenn sie lange auf einen Platz warten müssen, dann sind sie vielleicht nicht mehr bereit für die Therapie", sagt Borgmann-Schäfer.

Dass es an Therapeuten fehlt, liegt übrigens nicht am fehlenden Interesse von Bewerbern. Über mangelnden Nachwuchs könne man sich im Grunde genommen nicht beklagen, sagt die Psychologin. Doch viele ausgebildete Psychotherapeuten kommen bei der Ausübung ihres Berufs nicht so einfach zum Zug. Nur wenn eine Praxis frei wird, kann ein Nachfolger diese übernehmen. Hintergrund der Zulassungsbeschränkung: Seit 2003 erhalten die Psychotherapeuten ihr Honorar aus dem gleichen Topf wie die niedergelassenen Ärzte. Verteilt wird das Geld von der KV. Seitdem hat ein Verteilungskampf begonnen, zumal die Psychotherapeuten im Gegensatz zu den niedergelassenen Ärzten deutliche Honorarsteigerungen verbuchen konnten.

Dazu hat der Föhrener Psychologe Peter Brettler allerdings eine ganz andere Meinung. Ihm zufolge liegt das festgelegte, von den Krankenkassen bezahlte Honorar für eine Therapiestunde bei rund 80 Euro. Davon müssten noch Praxiskosten, Abgaben und Steuern abgezogen werden. Da bleibe unterm Strich nicht mehr so viel übrig. Daher stünden die Bewerber für einen Praxissitz nicht gerade Schlange. extra Psychotherapie: Psychotherapie ist die Behandlung von seelischen oder seelisch bedingten Krankheiten. Diese Erkrankungen dürfen nur Psychotherapeuten behandeln, die nach ihrem Studium der Medizin, Psychologie oder Pädagogik eine mehrjährige Ausbildung absolviert haben. Gesetzlich Krankenversicherte dürfen nur von Psychotherapeuten behandelt werden, die eine Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung haben. Ohne diese Zulassung dürfen Psychotherapeuten nur Privatpatienten oder auf Rechnung behandeln. Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten bei Angststörungen, Panik-attacken, Depressionen, Verhaltensauffälligkeiten, Sexualstörungen, Schlafstörungen oder Persönlichkeitsstörungen. (red)

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