Pflege „Da hat man hinten eine Null vergessen“

Berlin · Der künftige Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung will den Pflegenotstand zügig angehen. Er will schon bei der Ausbildung ansetzen.

 Andreas Westerfellhaus, damals Präsident des Deutschen Pflegerates, spricht bei der Eröffnung des Deutschen Pflegetages.

Andreas Westerfellhaus, damals Präsident des Deutschen Pflegerates, spricht bei der Eröffnung des Deutschen Pflegetages.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der designierte Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat einen guten Draht zum neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Was der frühere Präsident des Deutschen Pflegerats, einer Interessenvertretung der Pflegekräfte, daraus machen will, erläuterte der 61-Jährige im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter.

Herr Westerfellhaus, worin sehen Sie Ihre wichtigste Aufgabe im neuen Amt?

Andreas Westerfellhaus: Viele Menschen haben Angst davor, eines Tages pflegebedürftig zu werden. Ich will mit dafür sorgen, dass diese Ängste abgebaut werden. Das geht nur, wenn die Menschen zu der Überzeugung gelangen, dass Pflege in unserem Land qualifizierte Versorgung und persönliche Sicherheit bedeutet. 

Derzeit stehen eher die Pflegebedürftigen im Fokus der Politik und weniger die Pfleger. Eine Schieflage?

Westerfellhaus: Ja, das ist eine Schieflage. Beides muss gleichwertig behandelt werden. Natürlich stehen die Pflegebedürftigen im Fokus. Aber ihre Situation ist untrennbar mit der der professionellen Pflegekräfte verbunden. Es gibt inzwischen viele gute Gesetze für Leistungsverbesserungen im Pflegebereich. Aber um die, die diese Leistungen zu erbringen haben, hat sich die Politik viel zu wenig gekümmert.

Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat aber schon mal die Erwartungen für rasche Verbesserungen gedämpft. Beunruhigt Sie das?

Westerfellhaus: Natürlich nützt es nichts, politisch das Blaue vom Himmel zu versprechen, wenn man es am Ende nicht halten kann. Das führt nur zu Enttäuschungen. Richtig ist aber, dass es kurzfristige und längerfristige Ziele geben muss, um dem Pflegenotstand abzuhelfen.

Was lässt sich kurzfristig regeln?

Westerfellhaus: Kurzfristig lässt sich sicher die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für das neue Pflegeberufsgesetz umsetzen. Aber es muss auch darum gehen, die Personalsituation in allen Pflegeeinrichtungen nachhaltig zu verbessern.

Im Koalitionsvertrag sind 8000 neue Stellen für Pflegefachkräfte vorgesehen. Viel zu wenige, sagen Kritiker. Sie auch?

Westerfellhaus: Ja. Ich habe sogar gesagt, da hat man hinten eine Null vergessen. 8000 neue Stellen entsprechen nicht einmal einer zusätzlichen Dreiviertelstelle pro stationärer Pflegeeinrichtung. Das kann nur ein Anfang sein.

Aber der Arbeitsmarkt für Pflegefachkräfte ist praktisch leergefegt. Auch 80 000 neue Stellen auf dem Papier würden daran nichts ändern.

Westerfellhaus: Solange sich nichts an den Rahmenbedingungen ändert, wird das Nachwuchsproblem bestehen bleiben. Die Ausbildung muss attraktiver werden. Genauso die Bezahlung. Wenn mehr Leute eingestellt werden, sinkt auch die individuelle Belastung für jede Pflegekraft. Notwendig ist zugleich mehr Autonomie im Handeln von Pflegern. Nur im Zusammenspiel solcher Maßnahmen wird sich spürbar etwas zum Besseren verändern. Konkret messen ließe sich das etwa daran, wenn der Krankenstand beim Pflegepersonal deutlich zurückginge oder die Verweildauer im Beruf deutlich steigen würde.

Haben Sie einen guten Draht zu Jens Spahn?

Westerfellhaus: Ja. Wir kennen uns schon seit rund 15 Jahren und haben ein enges Vertrauensverhältnis. Wir sind beide Westfalen mit Ecken und Kanten, wir sind beide in der CDU, und wir sind beide Arbeitstiere.

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