Moselfränkisch: Beliebt und bedroht

Karlshausen/Trier · Sie sind ein Stück Identität und Heimat. Sie profitieren von der Rückbesinnung auf regionale Besonderheiten. Dennoch haben es Dialekte schwer. Nicht jeder, der sie gerne sprechen würde, beherrscht sie. Und selbst wer es gelernt hat, redet meist kein traditionelles Platt mehr.

 Das „Trierer Einmaleins“ von Johannes Kolz und Peter Zender: Ihre Trierisch-Produkte sind im Trend. Foto: OBACHT! Verlagsgesellschaftmbh

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Bastian Lehnen, neun Jahre alt, und sein Bruder David, sieben, wachsen in Karlshausen auf, einem 400-Seelen-Ort an der Grenze zwischen dem Kreis Bitburg-Prüm und Luxemburg. Wenn sie im Dorf auf Eifeler Platt angesprochen werden, antworten sie auf Hochdeutsch. Mutter Christine Lehnen, gebürtige Karlshausenerin, fände es schön, wenn ihre Söhne den ortstypischen Dialekt beherrschen würden. Nur: Sie spricht ihn selbst nicht gut genug, um ihn weiterzugeben.

Ein beispielhafter Fall. In Christine Lehnens Kindheit in den 70er Jahren riet man Eltern, mit ihrem Nachwuchs Hochdeutsch zu sprechen und prophezeite andernfalls Schwierigkeiten in der Schule. Heute weiß man, dass das Gegenteil der Fall ist (siehe Extra).

Inzwischen gilt es wieder als modern, mit Kindern Mundart zu sprechen. Eifeler frönen in Internet-Foren dem heimischen Moselfränkisch. "Platt ist wieder beliebt", sagt die Eifelerin Marlen Meyer, Lehrerin und Leiterin der Volkshochschule Bitburg-Prüm. Sie führt den Trend zum Dialekt unter anderem auf die Aufwertung des Luxemburgischen als Nationalsprache zurück, die über die Grenzen ausstrahle. Einen Grund sehen Experten auch in der Globalisierung: Wenn die Welt unüberschaubar groß wird und Unterschiede verschwinden, identifizieren sich die Menschen mit kleineren Einheiten und besinnen sich auf ihre Besonderheiten.

Helmut Haag, Freund und Förderer der Trierer Mundart, sagt: "Das Trierische ist Ausdruck einer lebendigen Identität, ein Stück Heimat."

Dass Eltern den Dialekt gerne weitergäben, wenn sie ihn denn selbst beherrschten, ist nicht das einzige Problem, mit dem die Mundarten zu kämpfen haben. "Der Dialekt passt sich zunehmend der Hochsprache an", sagt Marlen Meyer. "Früher war er eine bäuerliche Sprache. Heute wollen wir alles damit ausdrücken und übernehmen deshalb Begriffe aus der Standardsprache." Helmut Haag beobachtet auch eine Aufweichung des Trie-rer Platts: die Unterschiede zwischen den Dialekten einzelner Stadtteile verschwänden. Neue Wörter eroberten das Trierische - so sei etwa der Ausdruck "Quant" kein originäres Trierer Wort.

Christine Lehnen hat als Kind nicht vermisst, dass sie keinen Dialekt beherrschte. Während ihrer Ausbildung zur Krankenschwester änderte sich das: Sie wollte gerade mit alten Patienten in deren Muttersprache kommunizieren können. Und begann, Platt zu sprechen. Zuerst mit ihrer Oma. Später auch im Dorf und im Krankenhaus. Wirklich perfekt, sagt sie, sei sie nie geworden. Und deshalb gibt es nun zwei kleine Karlshausener weniger, die das Überleben der örtlichen Mundart sichern könnten.

Extra "Platt" reden macht schlau: Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Kinder, die einen Dialekt können, besseres Hochdeutsch sprechen. Sie wechseln bewusst zwischen zwei Ausdrucksformen, während Kinder, die nur Hochdeutsch lernen, oft durchgehend eine Umgangssprache benutzen. Wer den Wechsel zwischen Mundart und Hochdeutsch beherrscht, lernt Studien zufolge außerdem schneller Fremdsprachen. Manche Forscher erklären sogar das gute Abschneiden Bayerns und Baden-Württembergs bei Bildungstests damit, dass in diesen Bundesländern vergleichsweise viel Dialekt gesprochen wird. (ik)

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