"Münte" und Merkel bohren weiter

BERLIN. Die Bundesregierung will weiter Dampf machen. "2007 wird ein entscheidendes Jahr für die Fortsetzung der Reformpolitik", lautete gestern das Fazit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Kabinettsklausur vom Vorabend.

Mehr als fünf Stunden lang hatte sich die Ministerriege dort über die Jahresplanung der einzelnen Ressorts ausgetauscht. Es gab Schnitzel mit Kartoffeln, und die Atmosphäre war nach Angaben von Teilnehmern locker und entspannt. Vor der Presse arbeiteten Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) ihre Agenda dann eher geschäftsmäßig ab.Neue Beschlüsse oder Initiativen waren nicht dabei. Aber auch viele bis dato unverwirklichten Vorhaben aus der Koalitionsvereinbarung haben es in sich. Da wäre neben der Gesundheitsreform zum Beispiel die Neuordnung der Pflegeversicherung. Auch hier wird es nicht ohne Mehrbelastungen für die Versicherten abgehen. Merkel und Müntefering bauten deshalb schon mal vor: Den Leuten sei bisher viel abverlangt worden, aber der Weg sei notwendig um Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu sichern. Im weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit sieht Merkel die größte politische Herausforderung für 2007.

Über das dazu notwendige gesetzliche Instrumentarium ist die Koalition allerdings tief zerstritten.

Bei ihren Spitzenvertretern klang das freilich nur in Nuancen durch. Erst vor wenigen Tagen hatte CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe Arbeitsminister Müntefering in einem Brief ultimativ aufgefordert, den Unionsplänen zum Kombilohn und zur Neuregelung von Hinzuverdiensten zuzustimmen. Gerade beim Niedriglohnsektor habe man sich zuletzt "weniger aufeinander zu- als vielmehr voneinander wegbewegt", klagte Brauksiepe. In der Tat wollte eine Koalitionsarbeitsgruppe schon im Dezember einen entsprechenden Kompromiss vorlegen. Gestern sprach Müntefering vage von Ergebnissen "im ersten Halbjahr". Gleichwohl suchte er den Ärger beim Regierungspartner mit dem Hinweis zu besänftigen, dass er sich für junge Arbeitslose ohne abgeschlossene Ausbildung "sehr wohl" einen Kombilohn vorstellen könne.

Auch bei Frauen mit Kindern werde diese Möglichkeit geprüft. Ansonsten referierte der SPD-Politiker noch einmal ausführlich den jüngsten Beschluss seiner Parteiführung, der eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für untere Einkommensschichten vorsieht. Das Modell unter dem etwas irreführenden Stichwort "Steuergutschrift" muss laut Müntefering aber erst noch im Finanzministerium durchgerechnet werden. Ende Februar sei dann klar, "was geht und was nicht geht". Darüber hinaus sollen auch mindestens 100 000 Arbeitslose mit besonders schweren Vermittlungshemmnissen in Lohn und Brot kommen. Geplant ist eine dauerhafte staatliche Subventionierung in Höhe von 50 Prozent ihres Tarif- beziehungsweise ortsüblichen Lohns. Der Vorstoß, den SPD-Chef Kurt Beck kürzlich als "sozialen Arbeitsmarkt" umschrieben hatte, findet auch in Teilen der Union Zustimmung. Angela Merkel hielt sich derweil mit detaillierten Bewertungen zurück.

Nach Ansicht von Experten krankt daran allerdings auch das alternative Unionsmodell für befristete Lohnzuschüsse. Sie könnten zu "hohen Mitnahme- und Verdrängungseffekten" führen, heißt es unter Fachleuten. Merkel prophezeite dann auch, dass die Koalition noch "dicke Bretter zu bohren" habe. Der Kommentar Münteferings klang am Ende demonstrativ versöhnlich: "Keiner hat die Wahrheit auf seiner Seite."

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