Müntes Kalkül

Die Debatte über "sittenwidrige" Löhne in Deutschland ist nicht neu. Sie wird insbesondere von der SPD immer wieder angestoßen. Dass Arbeitsminister Franz Müntefering den Begriff aber nun noch einmal ausdrücklich betont hat, darf man auch getrost als einen geschickten Schachzug verstehen.

Schließlich war es die Union, die vor wenigen Wochen auf diesen Zug aufgesprungen ist und lauthals tönte, eine Untergrenze gegen Hungerlöhne gesetzlich definieren zu wollen. Müntefering erinnert den Koalitionspartner nun deutlich daran. Damit erhöht er zugleich den Druck beim Thema Mindestlöhne insgesamt. Denn wer sittenwidriges Einkommen verhindern will, kommt um klare Vorgaben für minimale Verdienste nicht herum. Müntes Kalkül scheint aufzugehen, die Union wackelt. Mehr aber noch nicht. Wer würde nicht unterschreiben wollen, dass ein Lohn von zwei Euro an Ausbeutung grenzt? Die Spirale dreht sich zudem in Deutschland offenbar ungebremst nach unten, glaubt man (gewerkschaftsnahen) Experten. Bislang legen die Gerichte fest, wann ein Lohn sittenwidrig ist. Gemessen wird dabei die Abweichung von Tariflöhnen oder ortsüblichen Löhnen. Die Spannbreite der Rechtsprechung schwankt aber erheblich - zumindest eine gesetzliche Definition des Tatbestands der Sittenwidrigkeit könnte helfen, viel zu niedrige Lohnvereinbarungen zu vermeiden und sie im Streitfall zu Gunsten des Arbeitnehmers zu verbessern. Das wäre ein erster Schritt. nachrichten.red@volksfreund.de

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