Muslimin und Feministin mit Kopftuch

Trier/Köln · Als Rabeya Müller 1957 in Mayen zur Welt kam, wurde sie katholisch getauft. Heute leitet sie eine liberale muslimische Gemeinde in Köln. Im Vorfeld eines Vortrags an diesem Donnerstag in Trier (siehe Extra) rüttelt die Islamwissenschaftlerin an dem oft vorurteilsgeprägten Bild von ihrer Religion.

 Rabeya Müller ist vom katholischen Glauben zum Islam konvertiert. Als Imamin einer liberalen Gemeinde in Köln setzt sie sich für die Rechte islamischer Frauen und den interreligiösen Dialog ein. TV-Foto: Inge Kreutz

Rabeya Müller ist vom katholischen Glauben zum Islam konvertiert. Als Imamin einer liberalen Gemeinde in Köln setzt sie sich für die Rechte islamischer Frauen und den interreligiösen Dialog ein. TV-Foto: Inge Kreutz

Foto: (g_pol3 )

Trier/Köln. Frauen und Männer sind laut Koran gleichberechtigt, davon ist Rabeya Müller überzeugt. Warum sie trotzdem ein Kopftuch trägt, Personalchefs ihrer Ansicht nach Schuld an der Frustration vieler junger Muslime tragen und die jüngsten Bündnisse gegen rechts islamistischen Tendenzen entgegenwirken könnten, hat die Kölner Imamin TV-Redakteurin Inge Kreutz erklärt.Sie sind Feministin. Sie sind Muslimin. Wie passt das zusammen?Müller: Das passt sehr gut zusammen. Ich gehe von einem Gleichberechtigungsgrundsatz im Koran aus, und den fordere ich innerhalb der Religion ein. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass Feminismus nicht ausschließlich weltlich betrachtet wird. Auch Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen können diesen Begriff für sich in Anspruch nehmen und ihn mit eigenen Inhalten füllen.Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich ein pauschales Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen gekippt. Dafür gab\'s auch von Musliminnen Kritik. Zu Recht?Müller: Für mich ist es ein Unding, die Kopftuchfrage gegen muslimische Frauen auszulegen. Eine Frau mit Kopftuch ist nicht die schlechtere Demokratin - genau wie eine Frau ohne Kopftuch nicht die schlechtere Muslimin ist. Jede Frau soll für sich entscheiden, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht, und diese Entscheidung muss respektiert werden. In dieser Hinsicht ist das Urteil richtungsweisend.Sie selbst tragen ein Kopftuch. Warum?Müller: Ich will Farbe bekennen. Ich knüpfe keine moralischen Wertigkeiten daran.Ist dieses Statement schwieriger geworden in Zeiten des islamistischen Terrors?Müller: Es hat immer Mut dazu gehört, das Kopftuch zu tragen. Ich denke aber, dass im Zusammenhang mit Islamismus der Fokus auf der Burka liegt. Das Kopftuch ist ein Stück Normalität geworden. Hoffe ich jedenfalls.Sie sind Imamin einer liberalen Gemeinde in Köln. Was macht Islam liberal?Müller: Wir gehen auf die Bedürfnisse der modernen Menschen ein. Wir möchten Traditionen aufbrechen, denn Traditionen können nicht gleichgesetzt werden mit Religion. Es geht uns darum, einen lebbaren Islam zu praktizieren mit einer vernunftoffenen Gläubigkeit. Wir diskutieren unsere Positionen sehr ernsthaft, aber wir erheben keinen Absolutheitsanspruch. Das ist der große Unterschied zu islamistischen Strömungen.Sie stehen für eine Liberalisierung - am Gegenpol radikalisiert sich der Islam. Warum?Müller: Junge Muslime, die erhebliche Integrationsleistungen erbracht haben und gut ausgebildet sind, erleben an dem Zeitpunkt, an dem sie sich bewerben, häufig Ablehnung. Sie fühlen sich in ihrem religiösen Selbstverständnis nicht akzeptiert und angenommen. Und dann sind da Gruppen, die sagen: Die wollen euch nicht, weil ihr Muslime seid - bei uns seid ihr willkommen, gerade weil ihr Muslime seid! Plötzlich ist alles ganz einfach: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.Was kann junge Muslime vor dem Abdriften bewahren?Müller: Wir müssen zu mehr Normalität kommen. Muslime sind in Deutschland keine Exoten, die meisten sind hier geboren. Wir müssen aufhören, Menschen mit Migrationshintergrund als solche zu erfassen. Das würde Vorurteilen auf muslimischer Seite - die da lauten: Die wollen uns nicht, die mögen uns nicht, die hassen uns - die Grundlage entziehen. Wir haben in letzter Zeit große Fortschritte miteinander gemacht durch die Bündnisse gegen rechts. Die haben auch jungen Muslimen gezeigt, dass die nichtmuslimische Bevölkerung gegen Fremdenhass aufsteht. ikExtra

Rabeya Müller, 58 Jahre alt, ist in den 1970er Jahren zum Islam konvertiert - unter anderem, weil es sie faszinierte, dass diese Religion ohne Vermittler zwischen Gott und den Menschen auskommt. Die Imamin, Schulbuchautorin und Religionspädagogin engagiert sich in mehreren Institutionen und Verbänden für die Rechte islamischer Frauen sowie für einen interreligiösen Dialog. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. ik Extra

"Und Aysha schweigt nicht in der Gemeinde" heißt der öffentliche Vortrag über Frauen im Islam, den Rabeya Müller am Donnerstag, 23. April, um 19 Uhr im Kino Broadway (Paulinstraße) hält. Veranstalter ist der Trierer Club der Frauen-Vereinigung Soroptimist International. Zur Einführung wird ein Kurzfilm gezeigt, nach dem Vortrag besteht Gelegenheit zu Diskussion und Austausch. Karten gibt es für zehn Euro im Kino. ik

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