Mystische Elfe gegen Wilden Kobold

TRIER. Wer mehr Taschengeld hat, gewinnt: Das Sammelkartenspiel Yu-Gi-Oh wird unter Kindern und Jugendlichen immer beliebter. Wer gewinnen will, braucht gute Karten. Die gibt es gegen Bares: im Einzelhandel oder im Internet. Auf so manchem Wunschzettel dürften die Karten stehen.

Die Kinder sind von einem neuen Virus befallen. Die Anzahl der Infizierten steigt von Tag zu Tag. Betroffen sind vor allem Sechs- bis 16-Jährige. In Gruppen stehen sie auf Schulhöfen zusammen, und im Zug sitzen Kinder, die Spielkarten vor sich ausgebreitet haben - ein Spiel- und Sammelfieber geht durch Deutschland. Yu-Gi-Oh heißt das Objekt der Begierde - ein Spiel, das die meisten Erwachsenen nicht verstehen. "Die Schüler der fünften bis siebten Klassen spielen es bei uns", berichtet Ludwig Weyand, Schulleiter des Trierer Max-Planck-Gymnasiums. "Die Kinder tauschen die Karten in den Pausen. Wenn sie spielen, sitzen sie sogar mit dem Taschenrechner da, um die Punkte zu berechnen." Yu-Gi-Oh gehört zu den Sammelkartenspielen - wie das Spiel Pokemon, das vor einigen Jahren die Runde machte. Bei Yu-Gi-Oh kämpfen zwei Spieler mit Monstern gegeneinander, die sie in Form von Karten besitzen. Die Monster haben phantasievolle Namen wie "Mystische Elfe" und "Wilder Kobold". Jeder Yu-Gi-Oh-Spieler bringt seine Karten selber mit - und gibt sie während des Spiels nicht aus der Hand. Wie der Kartensatz, das "Deck", zusammengestellt ist, entscheidet oft über Sieg oder Niederlage. Die Karten erscheinen in einer enormen Vielfalt. Die besten sind selten - um an sie zu heranzukommen, muss der Spieler viele der in verschweißten Tütchen angebotenen Karten kaufen - neun Stück kosten rund fünf Euro. Man kann sie auch als Starterpaket mit 46 Karten für rund 15 Euro kaufen. Da es fast unmöglich ist, die passenden Karten per Zufall zu ergattern, tauschen die Spieler untereinander - oder kaufen die fehlenden Karten im Internet, zu horrenden Preisen. Beim Online-Auktionshaus Ebay werden in Deutschland zurzeit rund 20 000 Artikel in den Yu-Gi-Oh-Rubriken angeboten. Bei über 40 Euro steht etwa ein Set aus drei raren Karten. Unter den Händlern gibt es auch schwarze Schafe, die gefälschte Karten für viel Geld verkaufen. Systematisch heiß gemacht auf Yu-Gi-Oh werden die Kinder und Jugendlichen mit der gleichnamigen Fernsehserie auf RTL II. Held dieser Serie ist der Junge Yugi Muto, dessen Großvater einen Spielzeugladen betreibt und der das ägyptische Karten-Kampfspiel "Duell-Monster" entdeckt. Findige Spielwarenhersteller haben sich die Anziehungskraft der Serie zu Nutze gemacht und die Sammelkarten herausgebracht, mit denen die Fans ihre eigenen Kartenduelle veranstalten können. Längst gibt es sie auch als Computer- und Videospiele. Auch Yu-Gi-Oh-Bettwäsche, -CDs, -Videos und -DVDs können gekauft werden. Die Sammelkarten sind in vielen verschiedenen Sprachen erschienen. Ein Junge aus Trier etwa spielt mit japanischen Karten. Woher er weiß, was die Texte darauf bedeuten? "Die Funktion der Karten kenne ich aus der Serie", erklärt er. Mitunter nimmt das Spielfieber kriminelle Formen an: "Meine besten Karten sind mir geklaut worden", berichtet der Junge. Ein Klassenkamerad habe sein Deck anschauen wollen - danach seien die seltensten Karten weg gewesen. "Ich sehe nichts Problematisches"

Doch Yu-Gi-Oh fördert auch Gemeinsamkeiten: Ihre Karten zusammengeworfen haben zwei Schüler, die mit anderen auf dem Schulhof des Max-Planck-Gymnasiums Karten tauschen. "Jeder von uns hatte ein Starter-Kit und einige Extra-Karten", berichten sie. Zusammen haben sie 200 Karten. 100 Euro mussten sie dafür ausgeben. Negative Begleiterscheinungen hat Ludwig Weyand am Max-Planck-Gymnasium noch nicht festgestellt. "Wir beobachten die Entwicklung", berichtet er. "Im Augenblick sehe noch nichts Problematisches. Eigentlich müssten wir das Spiel selbst mal spielen."

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