Nach Jung gerät nun Schäuble unter Beschuss

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine umstrittenen Äußerungen zu möglichen atomaren Terroranschlägen in Deutschland verteidigt. Im Bundestag bekam er gestern dazu heftige Kritik zu hören.

Berlin. Es war wie ein Déjà-vu, was sich da im Bundestag abspielte. Nur mit der Ausnahme, dass die Hauptperson Wolfgang Schäuble hieß und nicht, wie am Tag zuvor, Franz-Josef Jung (beide CDU). Verteidigungsminister Jung war am Mittwoch wegen seiner Äußerungen zum Abschuss von Passagierflugzeugen ordentlich in die Mangel genommen worden. Gestern musste sich Innenminister Schäuble im Parlament rechtfertigen angesichts seiner Interview-Passage über einen bevorstehenden Terrorangriff mit einer "schmutzigen" (mit Nuklearmaterial angereicherten) Bombe: "Plemplem", hieß es, Schäuble sei als Minister nicht mehr tragbar, er wolle Karriere machen als "Nostradamus unserer Zeit" - der Hellseher soll vor 500 Jahren neuzeitliche Katastrophen vorausgesagt haben. Bemerkenswert war dabei eines: Auch diesmal kamen die verbalen Tiefschläge nicht nur von der Opposition, sondern auch von der SPD. Viel Frust scheint sich da innerhalb der Großen Koalition aufgestaut zu haben. Die Redner der Opposition gelangten zu der Erkenntnis, Schäuble versuche mit seiner neuen "Freizeitbeschäftigung" der Wochenend-Interviews die SPD "sturmreif zu schießen" und vor sich herzutreiben. "Diese Koalition ist in der Innenpolitik total zerrüttet", befand die FDP-Expertin Gisela Piltz. Anscheinend aus gutem Grund: Aus dem Innenausschuss des Bundestages ist zu hören, dass sich dort Union und SPD regelmäßig "Schlammschlachten" liefern sollen. Und bei der Debatte gestern erhielten die Redner von Grünen und FDP durchaus auch Beifall aus den Reihen der SPD. "Wir haben gehandelt mit Rot-Grün", schwelgte SPD-Mann Klaus-Uwe Benneter in Erinnerungen an alte Zeiten. Die Erfolge der Sicherheitsbehörden in den vergangenen Monaten seien der Politik der damaligen Regierung zu verdanken. "Unwürdig" sei das Verhalten von Teilen der SPD gegenüber dem Minister, schimpfte Unionsmann Stephan Meyer zurück. Schäuble selber konterte alle Angriffe, indem er seiner Linie provokant treu blieb. "Sie unterstellen einem abwechselnd, man wolle die Verfassung abschaffen oder sei geisteskrank", schob er die Attacken auf seine Person beiseite. Und zur Warnung vor einem nuklearen Angriff von Terroristen sagte er: "Es ist die größte Sorge aller Sicherheitsbehörden." Und: "Die Gefahr ist noch nicht vorbei." Wie er allerdings seinen Interview-Rat an die Bürger gemeint hat, die "verbleibende Zeit" bis zum Anschlag noch munter zu nutzen, darauf ging der Minister nicht ein.

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