Nach vorne, nicht zurück

Die ersten Tage des neuen Jahres werden begleitet von weltweitem Aufatmen - vor allem in Großstädten wie New York oder Washington, wo es derzeit von Scharfschützen, Polizeihubschraubern und Bombenspürhunden nur so wimmelt. Die akut empfundene Terror-Gefahr hält auch europäische Metropolen wie Berlin, London oder Paris in Atem, die sich keinesfalls als Inseln der Seligen wähnen dürfen. Denn immer neue Meldungen über verhinderte Terrorattacken zeigen die globale, nicht nur auf den amerikanischen Einflussbereich beschränkte Dimension dieser Herausforderung. Geradezu befremdlich muten angesichts der offenkundigen Bedrohung die Worte von UN-Generalsekretär Kofi Annan an, der die Politiker der Mitgliedsstaaten auffordert, sich endlich wieder anderen Themen als dem Krieg im Irak und der Terrorismusbekämpfung zuzuwenden und statt dessen Aufgabenstellungen wie Hunger und Armut mit höheren Finanzhilfen anzugehen. Dass nun aber beispielsweise Millionen Iraker erstmals frei von Unterdrückung, Ausbeutung, Folter und Despotenherrschaft einer besseren Zukunft und langfristig hoffentlich auch besseren Lebensbedingungen entgegen sehen können, will dem UN-Chef partout nicht über die Lippen kommen - ein weiterer bitterer Seitenhieb in Richtung USA. Aus den Worten Annans ist die Frustration angesichts der beschränkten Rolle der Vereinten Nationen bei Krisen-Interventionen deutlich abzulesen, gepaart mit der latenten Unfähigkeit des Generalsekretärs, der Weltorganisation endlich jene Reformen zu verordnen, die diese dringend benötigt, will sie nicht weiter an politischem Einfluss verlieren - als ein Bündnis, das nur zu humanitären Hilfsleistungen fähig ist. Die anachronistische Struktur des UN-Sicherheitsrates lähmt die Weltorganisation. Die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates haben Philosophien, Prioritäten und eine Programmatik, wie sie gegenläufiger nicht sein könnte. Und ein antiquiertes Veto-Recht gibt einzelnen Staaten eine unangemessene Machtposition, anstatt bei Kontroversen dem Prinzip der einfachen Mehrheit zu folgen. Dies disqualifiziert die Uno derzeit für jene Führungsrolle, die nicht nur Kofi Annan vorschwebt, sondern auch dem Papst, der jüngst eine "neue Weltordnung" beschwor, um Krisen zu lösen und die Friedenswahrung einfacher zu machen. In dieser "Weltordnung" soll nach Auffassung des Vatikan die Uno als leuchtendes Vorbild dienen. Doch kann sie dies in ihrem derzeitigen Zustand der Selbst-Paralysierung? Wohl kaum. Man muss deshalb hoffen, dass es einer der Vorsätze Kofi Annans für das Jahr 2004 ist, seiner am Rande der Irrelevanz balancierenden Organisation die eigenen Grenzen aufzuzeigen - und Lösungswege zu beschreiben. Für alle anstehenden Aufgaben wäre dies vermutlich hilfreicher als ein Blick zurück im Zorn auf einen Krieg, den die Uno nicht verhindern konnte. nachrichten.red@volksfreund.de

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