Nach zwei Monaten zum ersten Mal warm geduscht

Jedes Jahr gehen rund 30 junge Frauen und Männer aus dem Bistum Trier für ein Jahr ins Ausland, um dort in sozialen Einrichtungen mitzuarbeiten. Ein Drittel der Freiwilligen ist im Spätsommer ins Partnerland Bolivien aufgebrochen. Der TV hat zwei von ihnen besucht.

Sucre. Für ein paar Tage ist Jennifer Lellig nach Sucre gekommen, der Hauptstadt Boliviens. Hier wohnt die aus Tawern (Kreis Trier-Saarburg) stammende 23-Jährige jetzt vorübergehend im Haus der Stiftung Solidarität und Freundschaft Chuquisaca-Trier. Die Stiftung unterstützt mit finanzieller Hilfe des Bistums (unter anderem aus den Erträgen der Bolivien-Kleidersammlung) dutzende Schulen und Ausbildungsprojekte in einer der ärmsten Regionen des Landes.

In einer dieser Schulen, einem Mädchen-Internat, macht Jennifer Lellig ihr einjähriges Praktikum; "sozialer Friedensdienst", so die offizielle Bezeichnung. Der Ort liegt fünf Bus-Stunden von Sucre entfernt - auf 2800 Höhenmetern. Gewöhnungsbedürftig, wie auch die Lebensumstände. "Als ich zum ersten Mal in das Dorf kam, gab's tagsüber kein fließendes Wasser und auch keinen Strom", sagt Lellig. "Meine Kleider muss ich alle von Hand waschen."

Im Internat gibt die gelernte Krankenschwester Computerunterricht, kümmert sich um die Hausaufgabenbetreuung der 14- bis 19-Jährigen, die Jennifer Lellig immer wieder "meine Mädels" nennt. Ein Indiz dafür, wie sehr sie sich inzwischen mit ihrer Arbeit in der bolivianischen Provinz identifiziert. Gäbe es das von der Stiftung unterstützte Internat nicht, hätten viele "meiner Mädels" wegen der weiten Entfernungen wohl keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, glaubt Lellig. Zwar gebe es auch in Bolivien eine Schulpflicht, "aber die Einhaltung wird nicht kontrolliert".

Jennifer Lellig sagt, sie sei in Bolivien bescheidener geworden, und sie schäme sich jetzt manchmal für den Luxus, in dem sie lebe. "Wenn meine Schuhe kaputt sind, kaufe ich mir neue. Meine Mädels tragen alle Schuhe, die mehrfach geflickt sind."

Während der paar Tage in Sucre genießt die 23-Jährige dann aber doch das bisschen mehr Komfort: "Meine erste warme Dusche nach zwei Monaten."

Genau so wohl wie Jennifer Lellig fühlt sich an ihrem Praktikumsplatz auch Lioba Pinn. Die 19-jährige Trierer Gymnasiastin ist seit September an der Mädchenschule Colegio Copacabana im 4000 Meter hoch gelegenen Potosi. "Ich habe mich rasch eingelebt", sagt die Abiturientin, "schon nach einer Woche hatte ich das Gefühl, ewig hier zu sein."

Einer der Gründe: "Ich wurde super herzlich aufgenommen." Wer mit Lioba Pinn eine Runde über den Schulhof dreht, kann erahnen, warum die 19-Jährige von Heimweh nichts wissen will. Sogleich kommen mehrere Schülerinnen angelaufen und nehmen die Deutsche wie eine große Schwester an die Hand.

Spanisch spricht die ehemalige Schülerin des bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums inzwischen fließend - dank eines vierwöchigen Sprachkurses, den alle Friedensdienstler zu Beginn machen, und der fast ausschließlichen Kontakte zu Einheimischen. "Die Menschen und das Land faszinieren mich", sagt Lioba, und es klingt so, als lebte sie schon seit Jahren in dem Bergarbeiter-Städtchen Potosi, in dessen Minen immer noch geschuftet wird wie vor 100 Jahren.

"Das Durchschnittsalter der Männer liegt bei 39 Jahren", sagt die Triererin und erwähnt nebenbei die "typische Biografie meiner Schülerinnen: Halbwaise und neun Geschwister."

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