Nächster Einsatz: Bagdad

BERLIN. Der Einsatz der Bundeswehr über das erfolgreiche Engagement in der afghanischen Hauptstadt Kabul hinaus wird konkreter. Selbst eine Beteiligung deutscher Soldaten am Wiederaufbau des Irak ist nicht mehr ausgeschlossen.

Die Bundesregierung bereitet sich gegenwärtig auf entsprechende Beschlüsse vor und strebt nach Angaben von Regierungssprecher Thomas Steg ein "erweitertes Isaf-Mandat" an. Am Montag endete das sechsmonatige deutsch-niederländische Kommando der Isaf-Schutztruppen (International Security Assistance Force), das nunmehr von der Nato übernommen, aber weiterhin von einem Deutschen (Generalleutnant Götz Gliemeroth) geleitet wird. Die afghanische Regierung unter Präsident Hamid Karzai war voll des Lobes über den Isaf-Einsatz, wobei gleichzeitig der Erwartung Ausdruck gegeben wurde, die Bundeswehr möge auch Aufgaben in den afghanischen Provinzen übernehmen, um dort den Befriedungsprozess zu begleiten. Neben Karzai forderten dies Außenminister Abdullah Abdullah und Aufbauminister Mohammad Farhang. Dickes Lob aus Washington

Farhang betonte am Montag im Deutschlandfunk (in fließendem Deutsch), ein solcher Einsatz außerhalb Kabuls würde die Sicherheit im Lande beträchtlich erhöhen. Diese Ansicht wird von Bundesverteidigungsminister Peter Struck geteilt, der am Stabwechsel der Isaf teilnahm und auch mit Präsident Karzai zusammen traf. Afghanistan dürfe nicht abermals in Chaos und Anarchie versinken, sagte Struck, der für das Konzept der USA plädiert, möglichst viele so genannter Provincial Reconstruction Teams (Regionale Wiederaufbau-Teams) zu schaffen, die in den Provinzstädten für Sicherheit und Ordnung sorgen sollen. Den Einsatz von etwa 300 Bundeswehr-Soldaten in der nördlichen Stadt Kundus will die Bundesregierung mit einer Ausdehnung des Isaf-Mandats ermöglichen. Ein solcher Beschluss des Kabinetts sei bereits Ende August denkbar, sagte Regierungssprecher Steg. Da die Sicherheitslage in Kundus als relativ entspannt gilt, wird in Berlin mit wenig Widerstand gerechnet. Allerdings nannte der CDU-Verteidigungsexperte Thomas Kossendey eine Ausweitung des Mandats momentan "nicht verantwortbar und grob fahrlässig". Zu vieles sei noch ungeklärt. Demgegenüber hatte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Schmidt (CSU), zu Protokoll gegeben, er stehe in diesem Punkt "nicht weit weg von Struck". Als weitaus spannender und brisanter noch gestaltet sich die Frage eines denkbaren Einsatzes der Bundeswehr im Irak. Sowohl Struck als auch die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer äußerten sich dazu am Montag vorsichtig zustimmend, "wenn ein entsprechendes UN-Mandat vorliegt". Sollte sich die Nato zur Führung eines Irak-Einsatzes bereit erklären, "könnten auch wir gefragt werden", sagte Struck. Allerdings sei diese Frage gegenwärtig noch "theoretisch". Auch Beer sprach sich dafür aus, die Möglichkeit eines Irak-Einsatz zu prüfen, ebenso wie der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der deutsche General Harald Kujat. Es sei "sicherlich der Fall", dass die Nato im Irak einen Beitrag leisten könne, sagte Kujat am Montag. Der Weg von der Theorie zur Praxis könnte sich verkürzen, sollte es im September bei der Vollversammlung der Uno in New York zu einem Treffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George Bush kommen. Bushs unerwartetes Lob für das deutsche Engagement in Afghanistan hat zu einer deutlichen Klima-Verbesserung zwischen Berlin und Washington beigetragen. Dem Vernehmen nach werden bei der UNO bereits Vorbereitungen für eine neue Irak-Resolution getroffen, die der US-Außenpolitiker Richard Lugar als "sinnvoll und nötig" bezeichnete. Vorerst wird der Einsatz der Bundeswehr im Ausland aber nicht verstärkt, sondern erst einmal reduziert. Nach dem Stabwechsel in Kabul sollen sis Ende September 700 der gegenwärtig rund 2300 deutschen Isaf-Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden. Das Mandat der Schutztruppe, das vom UN-Sicherheitsrat mehrfach verlängert wurde, gilt bis Ende des Jahres. Es wird allerdings mit einer weiteren Verlängerung gerechnet. Insgesamt sind gegenwärtig 5500 Soldaten aus 31 Ländern in Afghanistan stationiert.

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