"Negativer Beigeschmack bleibt"

STRASSBURG. Gestern hat der Europa-Abgeordnete Hans-Peter Martin seine "schwarze Liste" veröffentlicht: Auf dieser stehen die Namen der Kollegen, die sich angeblich in Brüssel Tagegelder erschlichen haben. Darunter 57 der 99 deutschen Abgeordneten. Auch Christa Klaß (Osann-Monzel) ist dabei. Parlaments-Präsident Cox wies die Liste als "böswilliges Gerücht" zurück.

"Die Liste ist ganz klar eine Mobbing-Aktion gegen das Parlament, Europa und die Demokratie", sagte Klaß gestern im Gespräch mit dem TV, nachdem der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin seine Liste dem Parlament vorgelegt hatte. Die Liste führt EU-Parlamentarier an, die sich angeblich Tagegelder erschlichen haben sollen. Unter anderem sind der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Martin Schulz, und der Vize-Parlamentspräsident Ingo Friedrich (CSU) dabei. Martin beschuldigt mit der Liste Politiker aller Parteien, sich außerhalb der Sitzungszeiten in das Anwesenheitsregister eingetragen zu haben. Andere sollen sich freitags in Straßburg eingetragen haben, obwohl dort freitags keine Sitzungen stattfinden. Doch die Kostenerstattungs- und Vergütungsregelung des Europäischen Parlaments gibt klar Auskunft: Europa-Abgeordnete bekommen Tagegeld nicht für Sitzungs-Teilnahmen, sondern für ihre Anwesenheit in Brüssel als Parlamentarier. Martins Vorwürfe scheinen haltlos zu sein. EU-Parlaments-Präsident Cox bekräftigte das gestern in einer Pressekonferenz: "Es gibt keine Verpflichtung, den weiteren Tag in der Fraktionssitzung zu verbringen, wenn man unterzeichnet hat." Um die Liste zusammenzustellen, recherchierte Martin seit 2001 in unregelmäßigen Abständen, machte quasi Stichproben. Beweise für einen Straftatbestand hat er bisher nicht vorgelegt. "Kann er auch gar nicht, denn die Parlamentarier, die auf seiner Liste stehen, haben sich keines Vergehens schuldig gemacht", sagte Klaß. Derweil wurden gestern die Gerüchte um gefälschte Unterschriften - die tatsächlich einen Straftatbestand erfüllen würden - vom Parlament widerlegt: Grafologische Untersuchungen hätten die Authentizität der beanstandeten Unterschriften bestätigt. In keinem Fall habe ein Abgeordneter sich von Dritten in die Anwesenheitslisten eintragen lassen, sagte Parlaments-Präsident Cox. "Die Sache ist geplatzt", sagte die EU-Abgeordnete Christa Klaß, "aber leider wird ein negativer Beigeschmack bleiben, zum Schaden des europäischen Gedankens."

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