Neonazi-Morde kommen vor Untersuchungsausschuss

Berlin · Warum hat das Neonazi-Trio ungehindert seine Mordserie ausführen können? Und wie kann sich der Staat vor ähnlichen Pannen schützen? Zu diesem Gesamtkomplex bahnt sich nun ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages an. Heute wird bei einem Treffen der Geschäftsführer aller Fraktionen über seinen Arbeitsauftrag beraten.

Berlin. Dass der Verfassungsschutz und andere Sicherheitsbehörden versagt haben, als sie die Nazi-Bande aus Thüringen 13 Jahre lang aus den Augen verloren und nicht erkannten, dass in Deutschland politisch motivierte Serienmorde verübt wurden, ist offensichtlich. Die Frage ist nur: Wer hat wo genau versagt, und wie kann man so etwas künftig verhindern?
Wichtigste Aufgabe wird es dabei sein, ein Durcheinander von Untersuchungen zu vermeiden. Es gibt schon eine 400-köpfige Sonderermittlungsgruppe beim Bundeskriminalamt, die die Straftaten sowie die Unterstützer des Trios aufklären soll. In Thüringen arbeitet zudem bereits eine von der Landesregierung eingesetzte Untersuchungskommission zu den Versäumnissen der dortigen Sicherheitsbehörden.
Ganz sicher kommen wird zudem eine vierköpfige Expertenkommission, die die Innenminister von Bund und Ländern Ende Dezember beschlossen haben. Sie soll die Kommunikationsmängel zwischen Bundes- und Landesämtern studieren. Der Innenausschuss des Bundestages und die Parlamentarische Kontrollkommission für die Geheimdienste haben sich ebenfalls schon intensiv mit dem Thema befasst. Und nun noch ein richtiger Untersuchungsausschuss, das schärfste Schwert des Parlaments. Vor ihm steht jeder unter Eid. Es wäre der dritte Untersuchungsausschuss dieser Legislaturperiode - nach der Aufklärung des Kunduz-Bombardements und der Vorgänge um Gorleben.
Als erste hatten Grüne und Linke eine solche Untersuchung vorgeschlagen. Die SPD hatte anfangs gezögert, die Union ablehnend reagiert. Inzwischen ist die Union offen und die SPD dafür, so dass das Gremium kommen wird. Gestern legten die Sozialdemokraten ein Konzept vor, wie dabei ihrer Meinung nach das Kuddelmuddel der verschiedenen Untersuchungen nutzbringend gelöst werden kann. Sie wollen, dass sich der Ausschuss zunächst nur mit Bundesbehörden befasst. Die Fehler auf Länderebene soll demnach die Bund-Länder-Expertenkommission ins Visier nehmen. Deren im Sommer erwarteter Abschlussbericht soll abgewartet werden. Erst wenn er vorliegt und wenn dann noch Fragen offen sind, soll der neu zu bildende Untersuchungsausschuss dann eigene Vernehmungen von Landesbediensteten vornehmen können.
Im letzten Schritt soll der U-Ausschuss schließlich Vorschläge dazu machen, wie die Sicherheitsarchitektur in Deutschland verbessert werden kann. Laut SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann geht es nicht in erster Linie um Schuldfragen, sondern darum, es künftig anders und besser zu machen. Schließlich seien die Taten in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren geschehen, in dem alle schon mal regierten, mit Ausnahme der Linken. Der neue Untersuchungsausschuss werde daher kein parteipolitisches Kampfinstrument werden, so die Hoffnung des SPD-Politikers. Umkämpft ist aber seine Installierung: Das Konzept stieß gestern auf distanzierte Reaktionen bei den anderen Oppositionsparteien. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bemängelte gegenüber unser Zeitung: "Es darf keine Beschränkungen des Untersuchungsauftrages geben." Man werde sich "sehr kritisch" mit dem SPD-Konzept auseinandersetzen, ergänzte die Politikerin. Der Bund-Länder-Fragenkatalog gehört aus ihrer Sicht zu einem großen Teil in den künftigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Für die Linkspartei sagte deren Justitiar Wolfgang Neskovic, der Untersuchungsausschuss müsse jederzeit ein Zugriffsrecht auf Informationen und Zeugen auch aus den Ländern haben. Die geplante Expertenkommission dürfe die parlamentarische Aufklärung in keiner Weise einschränken.
FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz sagte unserer Zeitung, ihre Partei stehe für alles offen, was "effektiv für Aufklärung sorgt". Die Beteiligten in Bund und Ländern müssten an einem Strang ziehen, "und nicht mit taktischen Spielchen versuchen, Verantwortung zu verschleiern", forderte Piltz.Extra

Vertreter von Staat, Kirchen, Kommunen und Verbänden kommen am 24. Januar zu einem Spitzentreffen in Berlin zusammen, um über Strategien gegen Rechtsextremismus zu beraten. Als Reaktion auf die Neonazi-Morde haben Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zu dem Treffen eingeladen. Es soll eine engere Zusammenarbeit beim Kampf gegen rechts erörtert werden. Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf Prävention. Die drei Rechtsterroristen der Zwickauer Neonazi-Zelle sollen für den Mord an mindestens neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin verantwortlich sein. Das Bekanntwerden der Mordserie im vorigen November sowie die Tatsache, dass Polizei und Verfassungsschutz die Rechtsterroristen jahrelang nicht im Visier hatten, sorgte bundesweit für Bestürzung. dpa

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