Neuartige Zigarette in Deutschland: Die Luft für Fabrikzigarette wird dünner

Berlin/München/Frankfurt · Der Marlboro-Hersteller Philip Morris geht bundesweit mit angeblich weniger schädlichem Tabak-Produkt an den Start. Die Firma peilt einen Marktanteil von fünf Prozent an. Das Tabaksteueraufkommen bricht ein.

Jahrzehntelang war der Markt für Zigaretten langweilig. Nur wenn die Konzerne aufwendige Werbekampagnen fuhren, gelang es ihnen, der Konkurrenz kleine Marktanteile abzuluchsen. Nun kommt durch ein neues Produkt Bewegung. Der Marlboro-Hersteller Philip Morris geht Ende des Monats in Deutschland mit der Iqos in die Offensive. Diese angeblich "weniger schädliche Zigarette", bei der der Tabak nicht mehr verbrannt, sondern nur erhitzt wird, soll bundesweit flächendeckend erhältlich sein. Bei etwa 1000 Tabakfachhändlern und an Tankstellen läuft der Verkauf an. Bislang war Iqos nur testweise in Boutiquen, etwa in Berlin, München und Frankfurt, zu haben. Philip Morris macht zudem weitere Boutiquen für den Iqos-Vertrieb auf: Konzerneigene Geschäfte werden in prominenter Lage in Stuttgart (Königstraße), Düsseldorf und Hamburg eröffnet.

Bei der Iqos handelt es sich nicht um eine E-Zigarette. Im Gegensatz zur E-Zigarette, die meist mit nikotinhaltigen Flüssigkeiten arbeitet, wird bei der Iqos Tabak benutzt. Wie zu hören ist, haben die Verkaufszahlen der Iqos im Testbetrieb, der seit Sommer in ausgewählten Städten läuft, die Erwartungen von Philip Morris übertroffen. Mit dem bundesweiten Vertrieb zeigt der Konzern nun, dass er mit tiefgreifenden Veränderungen der Rauchgewohnheiten rechnet. In Japan etwa hat die Iqos bereits unter allen Zigaretten einen Marktanteil von zehn Prozent erobert. Im Testbetrieb soll die Iqos auf einigen deutschen Märkten Marktanteile von einem Prozent erzielt haben. Mittelfristig peilt der Konzern in Deutschland einen Anteil von fünf Prozent am Verkauf sämtlicher Zigaretten an.

Die Rauchgewohnheiten ändern sich: Der Absatz von Fabrikzigaretten in Deutschland bricht ein. Er sank 2016 um sieben Prozent auf 76,7 Milliarden Stück. In den 90er Jahren wurden hierzulande noch 180 Milliarden Stück im Jahr geraucht. Es wird weniger geraucht, Raucher steigen auf E-Zigaretten um - nun auch auf alternative Tabakprodukte wie Iqos. Dies hat Folgen für den Bundeshaushalt.

Das Tabaksteueraufkommen insgesamt sank 2016 um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Klassische Zigaretten spielen immer weniger Geld ein, 2016 noch 12,3 Milliarden Euro (13 Milliarden im Vorjahr). E-Zigaretten werden gar nicht bei der Tabaksteuer zur Kasse gebeten. Und die Iqos hat sich ein umstrittenes Steuerprivileg verschaffen können. Sie wird wie Pfeifentabak besteuert. In Euro und Cent heißt das: Bei einer Schachtel Marlboro mit 20 Stück sind einschließlich Mehrwertsteuer 3,88 Euro an den Fiskus fällig. Eine Schachtel Iqos mit 20 Stück schlägt dagegen beim gleichen Verkaufspreis nur mit einem Steueranteil von 1,05 Euro zu Buche. Die Steuer beträgt damit gut ein Viertel.

Kritiker nennen die Iqos ein "Steuerumgehungsprodukt". Ihr Erfolg am Markt bedeutet für den Fiskus Steuerausfälle. Welche Dimensionen sie annehmen könnten, wenn die Iqos erst einmal bundesweit verkauft wird, das deutet die Auswertung der Tabaksteuerstatistik des ersten Quartals an: Demnach legt das Aufkommen aus Pfeifentabak - in diese Kategorie fällt die Iqos - um 75 Prozent auf 96 Millionen Euro zu. Es ist eher unwahrscheinlich, dass dieses starke Plus auf den Mehrkonsum der klassischen Pfeifenraucher zurück geht. Vielmehr dürften sich in diesen Zahlen die Erfolge der Iqos widerspiegeln. Das Aufkommen aus der Filterzigarette brach dagegen um 7,2 Prozent ein.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wartet bei der Tabaksteuer ab. Die letzte kleine Erhöhung der Tabaksteuer hat Anfang 2015 gegriffen. Seitdem ist die Tabaksteuer eingefroren. Nationale Alleingänge zur Besteuerung der E-Zigarette lehnt er ab. In seinem Haus wird darauf verwiesen, dass die EU-Kommission aufgefordert wurde, die Tabaksteuerrichtlinie auch im Hinblick auf neuartige Tabakprodukte wie die Iqos zu überprüfen. Die Kommission hat bis 16. Februar eine öffentliche Konsultation dazu durchgeführt. Die Auswertung läuft. Ob sie überhaupt den Mitgliedsländern einen Gesetzesvorschlag vorlegt, ist nicht sicher. Wie in Brüssel zu hören ist, ist damit aber nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sieht die Iqos kritisch: Gesicherte Erkenntnisse über die gesundheitlichen Risiken gebe es nicht. Ihr sein wichtig, so Mortler im Gespräch mit unserer Zeitung, "dass kein Nichtraucher zu diesen neuen Produkten greift." Und weiter: "Das aber ist die Gefahr, die von der massiven Bewerbung ausgeht. Ein großer Teil der Tabakwerbung zielt heute auf Iqos und Co. ab."

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"Weniger schädliche Zigaretten"

Im Gegensatz zu E-Zigaretten, bei denen eine nikotinhaltige Chemikalie erhitzt und inhaliert wird, arbeiten "weniger schädliche Zigaretten" wie die Iqos von Philip Morris mit Tabak. Der Tabak wird beim Konsum aber nur erhitzt und nicht mehr verbrannt. Es gibt Hinweise, dass das Krebsrisiko von klassischen Zigaretten vor allem auf chemische Prozesse beim Verbrennen des Tabaks zurück zuführen ist.

Die Iqos verdampft Tabak mit Hilfe eines elektrischen Mehrweghalters bei Temperaturen um 300 Grad Celsius. Die herkömmliche Zigarette verbrennt den Tabak und kommt damit auf Temperaturen von 500 bis 800 Grad. Beim Verbrennen entstehen Nitromsamine und Benzpyrene, die für Lungenkrebs verantwortlich gemacht werden. Wie die Gesundheitsgefahren von Iqos einzuschätzen sind, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend entschieden.

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