Neue Faustregeln

BERLIN. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und die Polizeigewerkschaft wollen in der Bekämpfung von Gewalt an Schulen gemeinsame Wege gehen. Geplant sind flächendeckende Präventions- und Sicherheitskonzepte.

Früher nannte man es eine Rauferei unter Jungs, und wenn einer von beiden irgendwann am Boden lag, war der Zoff beendet. Fliegen heute auf dem Pausenhof die Fäuste, ist die Brutalität mitunter kaum noch zu überbieten.Ein Drittel haut gelegentlich drauf

Aggressives Verhalten oder Gewalt nehmen an deutschen Schulen stetig zu. Laut Bundeskriminalamt (BKA) verhalten sich fünf Prozent aller Schüler regelmäßig gewalttätig, ein Drittel haut zumindest gelegentlich drauf. Jeder dritte Schüler hat inzwischen Angst davor, allein den Schulweg anzutreten oder auf den Pausenhof zu gehen, bei den Mädchen ist es sogar jede zweite Schülerin. Allein in Berlin, schätzt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), gibt es pro Jahr 180 000 Gewalttaten an den rund 1000 Schulen, und die Hauptstadt steht nach Ansicht der Experten nur stellvertretend für viele Großstädte und Regionen bundesweit. Polizei und Schulen sollen deshalb nun stärker kooperieren, um das Problem in den Griff zu bekommen. Gewalt ist nicht nur Körperverletzung. Und auch nicht auf eine Schulart begrenzt. Gewalt ist vielfältig: Sie geht von Schülern gegen Schüler aus und umfasst Verleumdungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und sexuelle Belästigungen. Gewalt kann sich aber auch per Vandalimsus gegen Sachen richten - und gegen die Lehrer in Form von verbalen Provokationen oder bewusstem Stören des Unterrichts, wie Fachleute definieren. Auch die Pädagogen stehen nicht abseits: das Beschimpfen oder Bloßstellen von Schülern, oder der berühmte fliegende Schlüsselbund zählt zu einem aggressiven Verhalten, das in der Schule nichts zu suchen hat. Nach Ansicht von Ludwig Eckinger, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, beginnt Gewalt schon mit kleinen Gemeinheiten: "Verbale Grenzüberschreitungen sind der Einstieg in massive Gewaltakte", glaubt der Chef des Lehrerverbandes. In vielen Bundesländern gibt es zwar schon Projekte gegen Kinder- und Jugendgewalt an den Schulen, "vielfach sind die Lehrer aber überfordert mit den tagtäglichen Ausbrüchen", weiß Wolfgang Speck, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft. Beide Organisationen plädierten gestern in Berlin für flächendeckende Präventions- und Sicherheitskonzepte, sprich für eine engere Zusammenarbeit von Polizei und Schulen. Konkret sollen sich Lehrer und Schulleitungen künftig regelmäßig mit speziellen Präventionsbeamten der örtlichen Polizeireviere austauschen. "Kommt heute die Polizei in die Schule, wird ein schlimmer Vorfall vermutet. Davon müssen wir wegkommen", so Eckinger. Polizisten seien zwar keine Hilfslehrer, aber mit Anti-Gewalt- oder Zivilcourage-Trainings und Unterrichtsbesuchen könnten sie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, ein "freundliches Klima" an Schulen herzustellen. Eine solche Kooperation, glauben beide Seiten, werde sich ähnlich erfolgreich bewähren wie bei der Drogenprävention und Verkehrserziehung. Dass allein reicht aber noch nicht, vor allem dann, wenn die "Härtefälle" schon längst Überhand genommen haben an den Schulen. Lehrerverband und Polizeigewerkschaft fordern deshalb eine Anzeigepflicht der Schulleitungen bei schweren Delikten. Viele Direktoren würden nämlich nach wie vor aus Sorge um den guten Ruf Gewaltprobleme nicht zugeben oder melden, lautet die Kritik.

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