Neuer Ärger um alte Regelung

TRIER. Alles bleibt wie gehabt: Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzliche Regelung, nach der uneheliche Väter nur bei Zustimmung der Mutter ein Sorgerecht erhalten, für verfassungsgemäß erklärt. Damit ist neuer Ärger um einen alten Streitpunkt entbrannt.

Andreas Z. kann sich glücklich schätzen. Er verbringt fast jedes Wochenende mit seiner Tochter Agathe (beide Namen geändert). Manchmal sieht er das Mädchen im Kindergartenalter auch noch unter der Woche, und Agathes Mutter bezieht ihn in Entscheidungen ein, die das Mädchen betreffen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Denn Agathe ist ein uneheliches Kind, und damit hat die Mutter das alleinige Sorgerecht – es sei denn, sie wäre damit einverstanden, es mit Andreas Z. zu teilen. Agathes Mutter ist es nicht. An dieser Rechtslage wird sich vorläufig nichts ändern, denn das Bundesverfassungsgericht hat sie gerade bestätigt. Für Andreas Z. bedeutet das: „Sollte es mit der Mutter meiner Tochter einmal Streit geben, dann habe ich einen schweren Stand.“ Viele „uneheliche Väter“, die mit den Müttern der Kinder auf Kriegsfuß stehen, empfinden das Urteil schlicht als Katastrophe. Rainer Schnettler von der Trierer Selbsthilfegruppe „Getrennte Väter“ glaubt nicht, dass Mütter den Vätern nur aus schwerwiegenden Gründen ein gemeinsames Sorgerecht verweigern: „Es wird viel Schindluder mit den Kindern getrieben“, sagt er. „Sie werden oft instrumentalisiert.“ Das Urteil konterkariere die gesellschaftliche Entwicklung, dass Väter sich stärker an der Familienarbeit beteiligten, und schaffe „Eltern erster und zweiter Klasse“. Schnettler fordert das, was bei verheirateten Eltern seit 1998 der Regelfall ist, auch für uneheliche Kinder: ein gemeinsames Sorgerecht. Eine solche Regelung war bei der Reform des Kindschaftsrechts 1998 debattiert, dann jedoch verworfen worden. Die Richter argumentierten, die wenigsten unehelichen Kinder lebten mit beiden Eltern zusammen, und deshalb sei nicht generell davon auszugehen, dass unverheiratete Eltern gemeinsam die Erziehungsverantwortung übernehmen wollten. Die gängige Praxis sei damit „derzeit“ nicht zu beanstanden. Schnettler hält dagegen: „Ich schätze, dass auf fünf verheiratete Elternpaare ein nicht-verheiratetes kommt – das ist eine Größenordnung, die nicht zu vernachlässigen ist.“ Seine Vermutung: „Der Staat versucht, Eltern zur Eheschließung zu bewegen – nach dem Motto: ,Leute, wenn ihr vernünftig heiratet, gibt's keine Probleme.’“ Werner Sauerborn, Herausgeber der Väter-Zeitschrift „Paps“, kritisiert, man könne nicht pauschal sagen, dass verheiratete Väter verantwortungsvoll und unverheiratete verantwortungslos seien. „Gerade unter den nicht-verheirateten Vätern gibt es viele besonders engagierte. Ich wette, ihr Anteil an den Hausmännern ist überproportional groß.“ Die Entscheidung des Verfassungsgerichts verfestige traditionelle Rollenbilder, sagt der Stuttgarter. Maria Rieger-Nopirakowsky, Juristin und Frauenbeauftragte der Stadt Trier, sieht das anders. Oberste Priorität besitze das Wohl des Kindes, und die Richter gingen davon aus, dass ein Paar, das sich während des Zusammenlebens nicht zu einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung durchringe, sich auch nach einer Trennung nicht einigen könne. Der Elternteil, der das Kind im Alltag versorge, brauche einen besonderen Schutz. „Und 95 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen.“ Deshalb sei das Urteil, das den Status der Mutter stärke, „erst einmal“ in Ordnung – bis eine bessere Regelung gefunden sei. Denn auch Rieger-Nopirakowsky hält das Urteil für „sehr pauschal“. Es werde nicht differenziert zwischen Kindern aus „One-Night-Stands“ und solchen aus jahrelangen Partnerschaften. Dieter Kalicki, Fachanwalt für Familienrecht aus Trier, hält die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das sich „viel Arbeit gemacht“ habe, für richtig – auch wenn es ein Eingriff in das Elternrecht des Vaters sei. Die Gleichstellung von unehelichen Kindern habe Grenzen, argumentiert er. Oft sei nicht ganz sicher, ob der Vater überhaupt Verantwortung übernehmen wolle, manchmal stehe nicht einmal fest, wer der Vater sei.„Das Kind hat aber einen Anspruch darauf, dass die rechtliche Seite geklärt ist, wenn es zur Welt kommt“, sagt Kalicki, der im Fachausschuss für Familienrecht der Rechtsanwaltskammer Koblenz sitzt. Eine Regelung, nach der auch Eltern unehelich geborener Kinder grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht erhalten, hält er für „kaum praktikabel“.Andreas Z. ist wie viele andere Väter unehelicher Kinder anderer Meinung. Obwohl er „ganz gut zurechtkommt so“, fühlt er sich benachteiligt. „Ich habe immer den Druck im Nacken, mit der Mutter auskommen zu müssen. Es ginge mir einfach besser, wenn ich rechtlich abgesichert wäre.“

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