Neuer Denkansatz

Wie schnell sich doch die Zeiten ändern können. Nur wenige Monate nach dem Tod von PLO-Chef Jassir Arafat, der zurecht von Israel und Washington als Haupthindernis für einen dauerhaften Frieden etikettiert worden war, tragen die Gespräche der beiden Lager endlich Früchte - und auch die US-Regierung ist bereit, eine aktivere Mittler-Rolle zu übernehmen.

Dass Außenministerin Condoleezza Rice gestern Palästinenser-Präsident Abbas und Israels Regierungschef Scharon ins Weiße Haus eingeladen hat, ist ein bedeutender Fortschritt. Denn Abbas erhält damit eine Belohnung, die Arafat, dem geistigen Vater des internationalen Terrorismus, trotz allen Drängelns unter George W. Bush nie zuteil wurde: Die Anerkennung als ernst zu nehmender politischer Partner. Für Abbas wächst durch diese Aufwertung allerdings auch der Druck, die Extremisten in den eigenen Reihen ruhig zu halten. Washington sendet mit der Einladung auch das wichtige Signal an die arabischen Anrainer-Staaten, die Anliegen der Palästinenser zu akzeptieren und deren Streben nach einem eigenen Staat tatsächlich zu unterstützen. Gleichzeitig hat Scharon von Rice hören müssen, das Weiße Haus erwarte von Israel schmerzhafte Schritte. Das zeugt von einem neuen Denkansatz, der nun die Chancen für einen Neuanfang in dem weitgehend zerrütteten Verhältnis zwischen Israel und der PLO erhöht. Der Verzicht der Bush-Regierung auf einen neuen Sondergesandten zu Vermittlungen auf höchster Ebene muss sich dabei nicht unbedingt nachteilig auswirken: In der Vergangenheit haben diese Emissäre außer jeder Menge Papier und Spesenquittungen kaum greifbare Fortschritte produziert. Und Washington wie auch die EU haben zuletzt immer wieder überzeugend deutlich gemacht: Für einen Nahost-Frieden, der Bestand haben soll, kommt es letztendlich vor allem auf den guten Willen beider Konfliktparteien an. Und der ist, das zeigt die Absicht, einen Waffenstillstand zu schließen, offenbar vorhanden. nachrichten.red@volksfreund.de

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