"Nicht erkannt, wo unsere Stärken liegen"

TRIER. Gibt es gute Mütter und schlechte Mütter? Seit einigen Tagen stehen wieder die so genannten Rabenmütter am Pranger, berufstätige Mütter, die ihre Kinder angeblich schlechter erziehen sollen als Vollzeit-Mütter.

Für die einen ist sie einfach nur "unsympathisch-arrogant", für die anderen ist sie jemand "mit gesundem Menschenverstand". "Miss Tagesschau" Eva Herman spaltet derzeit die Frauenwelt in Deutschland, ob bewusst oder unbewusst. Auf jeden Fall provoziert sie. Nicht nur eingefleischte Emanzen, auch "Nur-Mütter" müssen sich durch ihre manchmal naiv daher kommenden Thesen, die sie bereits im Mai im Magazin "Cicero" veröffentlichte, angegriffen fühlen. Beispiel: "Haben berufstätige Frauen von heute - zu denen ich ich ja auch gehöre - wirklich das Recht auf unbegrenzte Selbstverwirklichung, oder war die Emanzipation ein fataler Irrtum?" Oder: "Es darf ihr Glück nicht alleine darin bestehen, Geld zu verdienen und sich in der männlichen Berufswelt zu behaupten." Und: "Wir haben nicht erkannt, wo unsere wahren Stärken liegen." Das sitzt. Volle Breitseite aufs eigene Geschlecht, die da in ihrem demnächst erscheinenden Buch "Das Eva-Prinzip" noch einmal abgeschossen werden. Die Frau, das Heimchen am Herd. Dass sich selbst viele der von ihr zu diesem weiblichen Idealbild beglückwünschten Hausfrauen nicht in dieser Rolle sehen, scheint die 47-Jährige, die nach 18 Jahren Tagesschau, den Job wegen der zu erwartenden Angriffe auf ihr Buch hingeschmissen hat, zu vergessen. Auch "Nur-Mütter" sehen in ihrem 24-Stunden-Job nicht immer eine Verwirklichung. Doch Eva Herman (Foto: dpa) glaubt: "Wir Frauen nehmen uns nicht genug Zeit für Familie und Kinder." Am heftigsten sind aber, wie erwartet, die Angriffe der als Rabenmütter hingestellten berufstätigen Frauen: "Würden Frauen wieder an Heim und Herd zurückgehen, wie Frau Herman das will, würden sie bei einer Scheidung arm sein und ihren Kindern keine Geborgenheit und Liebe geben können", kritisiert Marion Bredebusch. Sie ist Sprecherin des Saarbrücker Ablegers des Netzwerks Business and Professional Women (BPW), eines Zusammenschlusses von über 1600 berufstätigen Frauen und Müttern. Die Rabenmutter-Ideologie habe ausgedient. Bereits im Mai nach der Cicero-Veröffentlichung liefen die Business-Frauen Sturm, schrieben Eva Herman einen Brief: Nicht die Emanzipation sei ein Irrtum, sondern die Thesen der Autorin. Dass die Tagesschau-Sprecherin mit ihren Forderungen überhaupt derart Furore machen konnte, hängt auch damit zusammen, dass seit Monaten, wenn auch unterschwellig, über das Frauenbild in Deutschland diskutiert wird. Familienministerin Ursula von der Leyen, siebenfache Mutter, Ärztin und Ministerpräsidenten-Tochter, provoziert mit ihrer einseitigen, auf berufstätige Frauen ausgerichteten Politik - einjähriges Elterngeld und Ausbau der Kinderbetreuung suggerieren, dass alle Mütter arbeiten gehen können, wenn sie nur wollen - Hausfrauen und "Nur-Mütter". Sie fühlen sich ausgegrenzt und gegen die angeblichen Super-Muttis, die Beruf und Familie versuchen, unter einen Hut zu bringen, ausgespielt. Von der Leyens Politik gaukelt vor, dass berufstätige Mütter gleichberechtigt sind mit kinderlosen Frauen im Job. Eine Mär. Mütter im Job müssen sich teilen, zwischen ihrem bezahlten Beruf und dem unbezahlten zu Hause. "Zeit"-Autorin Iris Radisch, dreifache Mutter, schrieb dazu bereits vor einigen Monaten: "Beide Eltern von Kleinkindern können nicht voll berufstätig sein. Die Erziehung von Kleinkindern lässt sich nicht outsourcen." Für sie ist die angebliche Vereinbarkeit von Job und Familie eine Gebärkampagne und Propaganda. Selbst bei Gewerkschaften, die ja quasi per Satzung für Karriere und Kinder eintreten müssen, sind die Forderungen der Familienministerin bar jeder Realität. Hausfrauen kontra Super-Muttis

Es dürfe nicht darum gehen, dass Frauen zu Alleskönnern stilisiert werden sollen, sagt Birgit Groß, Bezirksfrauensekretärin beim DGB Rheinland-Pfalz. Gleichwohl sei bei vielen Arbeitgebern ein Umdenken festzustellen. Immer mehr Unternehmen böten Müttern eine Chance, in den Job zurückzukehren und Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Eine richtige Entwicklung, wie sie meint. Von Frauen am Herd hält sie nämlich wenig: "Jede Frau sollte für sich selbst sorgen können", sagt die Gewerkschafterin. Doch bis es soweit ist, müsse sich erst einmal das Klima in Deutschland ändern, es müsse eine echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen geben, die Väter dürften nicht länger schief angeschaut werden, wenn sie Schreibtisch gegen Wickeltisch tauschten. Aber auch in den Köpfen der Männer muss sich etwas ändern: "Viele Männer betrachten es nach wie vor als Sache der Frau, dass sie die Familienarbeit übernimmt", kritisiert Susanne Janeba vom Verband berufstätiger Mütter. Es könne doch nicht sein, dass die Mütter ihre Töchter auf die Unis schicken und selbst zu Hause blieben: "Wo bleibt denn da unsere Vorbildfunktion?" Die Realität sieht ohnehin anders aus: 65 Prozent der Mütter gehen arbeiten, die meisten von ihnen jedoch nur stundenweise oder halbtags, weil ihnen fehlende oder aber zu teure Ganztagsbetreuung keine Wahl lässt. Die meisten gehen auch nicht aus Karriere-Gründen arbeiten, wie Eva Herman unterstellt, sondern, weil sie es finanziell nötig haben: als Alleinerziehende oder weil ein Einkommen nicht ausreichend ist. Anders ausgedrückt: Nicht dass Frauen arbeiten gehen, ist Luxus, sondern dass sie es sich leisten können, Hausfrau zu sein.

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