Nicht filmen, wenn der Azubi schnarcht!

Mainz · Der Landesdatenschutzbeauftragte schreitet immer häufiger ein, wenn er Grenzen mit Kameras überschritten sieht. Manche Fälle muten absurd an.

Mainz Wer mittags kurz einnickt, kann ein böses Erwachen erleben. So ging es einem Auszubildenden im vergangenen Jahr in einer rheinland-pfälzischen Gemeindeverwaltung. Der Azubi schlief während der Mittagspause ein, die Vorgesetzte hörte ihn laut schnarchen, filmte den selig schlummernden Mann und schickte das Video an Kollegen. Der Versuch, über den Bürgermeister disziplinarische Schritte gegen den Azubi zu prüfen, ging jedoch gründlich schief. Der Landesdatenschutzbeauftragte, Dieter Kugelmann, sah die Dienstpflicht weniger durch den schlafenden Azubi als durch die filmende Vorgesetzte verletzt. Der Grund: Wer eine Bildaufnahme unbefugt erstelle und verbreite, die die Hilflosigkeit eines anderen Menschen zur Schau stelle, mache sich strafbar. Dem Mann sei geraten worden, sich über rechtliche Schritte gegen die Vorgesetzte zu informieren.
Es ist einer von vielen Fällen, die der Datenschutzbeauftragte innerhalb der abgelaufenen zwölf Monate betreut hat. So kurios die Geschichte vom schlafenden Azubi klingen mag, so ernst ist deren Hintergrund, wie Kugelmann erzählt: Immer häufiger beschweren sich Menschen beim Landesdatenschutzbeauftragten, wenn sie Grenzen mit modernen Medien überschritten sehen: besonders bei der Videoüberwachung, vom Smartphone-Filmchen bis hin zu vom Nachbarn installierten Kameras. Gut 400 von 1000 schriftlichen Verfahren beim rheinland-pfälzischen Datenschutz hätten im vergangenen Jahr die Videoüberwachung betroffen, sagt Kugelmann.
Kritisch zeigt er sich, wenn an öffentlichen Plätzen gefilmt wird. Wie in einem Hallenbad in Rheinland-Pfalz, das mit Kameras Gänge überwacht habe. Die Beschwerde einer Besucherin erreichte, dass einige der Kameras demontiert wurden. Wenn die Intimsphäre von Besuchern betroffen sei, überwiege deren Schutz die Interessen des Schwimmbadträgers, sagt Kugelmann. Strenge Regeln gelten auch für Eltern, die bei Kita-Festen filmen und Bilder veröffentlichen. Die Kleinsten hätten bereits ein Recht auf das eigene Bild. Kindertagesstätten seien sogar berechtigt, das Fotografieren und Filmen bei Veranstaltungen zu untersagen.
Abseits der modernen Technik gab es auch Stolperfallen. In der Vulkaneifel tadelte Kugelmann die Bürgerbefragung zur Gebietsreform, weil Teilnehmer nicht darauf hingewiesen worden seien, dass sie einzelne Daten freiwillig angeben. Bedingung, die Fragebögen auszählen zu dürfen, sei die spätere Vernichtung durch einen Notar gewesen. Einem Fan des 1. FC Kaiserslautern wurde dagegen Konfetti zum Verhängnis, das er bei einem Heimspiel der Zweitliga-Kicker auf den Rasen warf. Das Papier stammte aus Altakten einer Kommunalverwaltung, die kaum abgeschottet in Müllsäcken lagerten und auf denen laut Kugelmann Hartz-IV-Anträge standen. Immerhin: Die Gemeinde entsorge das Papier nun datenschutzkonform. Ob auch die Geschichte mit dem schlafenden Azubi ein Happy End fand, ist Kugelmann aber nicht bekannt.

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