Nichts wirklich Neues

Mit Trends ist es so eine Sache. Kaum wird ein vermeintlich neuer aufgetan, ist er auch schon wieder überholt. Oder aus alten Schläuchen werden plötzlich Mega-Trends, weil irgendwelche findigen Geschäftemacher mangels neuer Ideen einfach Erfolgreiches aus der guten alten Zeit wieder auflegen: Was früher gut war, kann heute ja nicht schlecht sein. Und schon springt die Werbemaschine an, alle stürzen sich drauf und ein neuer (alter) Trend ist geboren. Beispiel: die Aerobic- und Fitness-Welle der 80er- und 90er-Jahre. Früher nannte man das schlichtweg Trimm-Dich und hat damit Jung und Alt auf die Laufpfade in den Wäldern gejagt. Auch Entschleunigung ist nicht wirklich etwas Neues. Die Lust auf Faulsein und Genießen gab es schon immer. Nur war es eben ein Privileg einiger weniger, die es sich leisten konnten, Müßiggang und Dolce Vita zu verbinden. Heute ist es auch für Junge chic, zu sagen: Ich bleibe zu Hause, trinke nach der Gartenarbeit meinen Rotwein auf der Terrasse mit Teakholz-Möbeln. Ein 30-Jähriger, der vor ein paar Jahren mit Rucksack und Wanderstock durch die Landschaft spazierte, wäre von Gleichaltrigen verspottet worden. Heute ist es trendy. Die Langsamkeit ist den belastbaren, flexiblen und jungen Arbeitskräften durch ständiges Tempo und ständige Verfügbarkeit verloren gegangen, sie müssen sie wieder lernen. Und davon lebt mittlerweile eine ganze Branche. Ausgebrannte Manager und Ärzte, die sich mit Haut und Haaren ihrem Job opfern, werden in naturkundlichen Heilkliniken wieder aufgepäppelt. Motivationstrainer referieren über Zeitmanagement und Stressbewältigung. In "Zeitlupen"-Kursen lernt man das Nichtstun. Wer immer nur auf der Überholspur lebt, der muss lernen, zu entschleunigen. Lernen, dass das Leben mehr ist, als sich ständig nur nach dem Terminkalender zu richten. Keine wirklich neue Erkenntnis. Aber vielleicht braucht es einfach mal einen angeblichen Trend, um zu erkennen, dass eine gewisse Faulheit durchaus zur Lebensqualität gehört. b.wientjes@volksfreund.de

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