Notfalls Rauchverbot

BERLIN. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, fordert die Ministerpräsidenten auf, sich am kommenden Donnerstag bei ihrer Entscheidung über den Nichtraucherschutz in Gaststätten mehr an der Lebenswirklichkeit zu orientieren. Im Zweifel gelte jedoch, "Gesundheitsschutz hat Vorrang", so Möllenberg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Möllenberg, das generelle Rauchverbot in Gaststätten steht offenbar wieder auf der Kippe. Zufrieden?Möllenberg: Mein Appell an die Ministerpräsidenten ist: Orientiert euch an der Lebenswirklichkeit! Ich bin für differenzierte Lösungen wie in Spanien, wo es den Gästen überlassen bleibt, ob sie in eine Rauchergaststätte gehen oder nicht. Nun steht der Vorwurf im Raum, die Ministerpräsidenten würden vor der Tabaklobby kuschen. Sehen Sie das genauso?Möllenberg: Die Erfahrungen in anderen Ländern machen deutlich: Die Zigarettenindustrie wird keine Umsatzeinbußen erleiden. Nehmen Sie Irland. Dass die Wirte dort kurzfristig weniger Einnahmen hatten, hatte nichts mit dem Rauchverbot zu tun, sondern mit der parallel stattgefundenen Erhöhung der Biersteuer. Das Arbeitsplatzargument der Industrie zieht also nicht. Insofern halte ich auch den Vorwurf, die Regierungschefs seien eingeknickt, für falsch. Soll der Wirt künftig entscheiden, wie er verfahren will?Möllenberg: Das würde in eine differenzierte Lösung passen. Ich fordere übrigens seit Jahren die Gastwirte auf, für bessere Be- und Entlüftung Sorge zu tragen. Diese Entwicklung haben sie eindeutig verschlafen. Was verstehen Sie denn genau unter einer differenzierten Lösung?Möllenberg: In den meisten Restaurants und Gaststätten wird doch schon jetzt gegenseitig Rücksicht genommen. Und in den Hotelketten steigt die Nachfrage nach rauchfreien Zimmern. McDonalds wird ab dem 1. April bundesweit rauchfreie Restaurants anbieten. Das größte Problem besteht in kleinen Kneipen, Diskotheken und Bars. Dort ist das Risiko von verqualmten Räumlichkeiten am größten. Dort müssen Raucher- oder Nichtraucherbereiche deklariert werden. Wenn das aber alles nichts hilft, führt an einem Rauchverbot nichts vorbei. Sie sitzen zwischen den Stühlen, denn sie vertreten sowohl die Mitarbeiter in Gaststätten als auch in der Tabakindustrie. Fällt Ihnen eine eindeutige Position deshalb so schwer?Möllenberg: Im Zweifel gilt: Nichtraucher- und Gesundheitsschutz haben Vorrang. Das Einfachste wäre, die Arbeitsstättenverordnung um den Bereich Hotel und Gaststätten zu erweitern. Dann hätten wir die ganze Diskussion um einen Flickenteppich und andere Absurditäten nicht. Mir kann zum Beispiel keiner erklären, warum man in Bayern alle Gaststätten rauchfrei machen will, aber die Bierzelte nicht. S Das Interview führte unser Korrespondent Hagen Strauß.

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