NSU-Morde: Beckstein verteidigt Fahndung vor Ausschuss in Berlin

Berlin · Fünf der neun Morde, die die Zwickauer Terrorzelle an türkischen Kleinhändlern verübt hat, waren in Bayern. Bayerns Ex-Innenminister Günther Beckstein sagte gestern dazu in Berlin aus - und stellte sich hinter die Ermittler.

Berlin. Als erster Spitzenpolitiker hat Bayerns früherer Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU, Foto: dpa) gestern vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den Morden der Zwickauer Terrorzelle (NSU) ausgesagt. Beckstein hatte früh geahnt, dass Ausländerfeindlichkeit das Motiv sein könnte und seine Beamten immer wieder danach gefragt, wurde aus seiner Aussage deutlich. Warum man dennoch keine heiße Spur fand, quäle ihn noch heute, sagte der 68-Jährige.
Das Gremium soll klären, welche Versäumnisse dazu führten, dass die Mordserie zehn Jahre lang nicht als rechter Terrorismus erkannt wurde. Dazu freilich konnte Beckstein nicht beitragen, denn er fand, dass alle alles richtig gemacht hätten. Die SPD-Obfrau im Ausschuss, Eva Högl, sagte, Beckstein habe als Einziger den richtigen Riecher gehabt. Er sei eine "tragische Figur".
In Bayern geschahen fünf der neun Morde an türkischen Kleinhändlern; phasenweise waren über 100 Beamte in der bayerischen Sonderkommission "Bosporus" mit den Ermittlungen beschäftigt. Und sie hätten "in alle Richtungen" ermittelt, betonte Beckstein. Keineswegs sei nur der Verdacht der organisierten Kriminalität verfolgt worden, sondern immer auch die "Einzeltätertheorie". Gleich nach dem ersten Mord in seiner Heimatstadt Nürnberg, notierte Beckstein für seine Mitarbeiter neben einen Zeitungsbericht: "Bitte genau berichten. Ist ausländerfeindlicher Hintergrund denkbar?"
Dass die Ermittlungen keinen Erfolg hatten, lag im Fall der NSU-Morde wohl auch an den Strukturen. Die Beamten suchten nur in Bayern, vor allem im Großraum Nürnberg. Und dort ergaben die Recherchen in der lokalen rechten Szene: Niemand wusste etwas, niemand brüstete sich mit den Taten. Kein Wunder: Die Täter Böhnhardt und Mundlos kamen aus Thüringen. Schon innerhalb Bayerns klappte der Informationsaustausch schlecht, wie am Morgen die Vernehmung von Beamten des bayerischen Innenministeriums und des Verfassungsschutzes im Untersuchungsausschuss ergab.
Beckstein kein Chefermittler


Erst recht fehlte es an überregionaler Zusammenarbeit, als 2006 deutlich wurde, dass die Täter mit der gleichen Waffe auch in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg zugeschlagen hatten. Eine Übergabe der Ermittlungen an das Bundeskriminalamt (BKA) wurde zwar erwogen, aber wieder verworfen. "Das hätte eine Unterbrechung der Ermittlungen für einige Monate bedeutet", sagte Beckstein. Das BKA habe außerdem ebensowenig wie die Nürnberger Sonderkommission darauf gedrängt.
"Ich war nicht der Chefermittler", antwortete Beckstein immer wieder auf Fragen der Abgeordneten nach seiner Mitverantwortung. Dass er als Innenminister vielleicht etwas mit den nicht funktionierenden Strukturen zu tun hatte, wollte er nicht einsehen. "Wir haben den größtmöglichen Aufwand betrieben." Stattdessen trug er ausführlich einen Katalog von innenpolitischen Forderungen an den Bund vor, die die Konsequenz aus dem Geschehen sein müssten. Darunter die Einführung der Vorratsdatenspeicherung. wk

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