Null Toleranz im Mekka der Sprayer

Berlin. Der 1. Internationale Anti-Graffiti-Kongress soll in Berlin ein Zeichen gegen illegale "Sprayer" setzen. Experten aus Europa und den USA wollen an diesem Donnerstag Erfahrungen über die Bekämpfung von Graffiti austauschen. Veranstalter ist die Bürgerinitiative "Nofitti", die schärfere Gesetze gegen Graffiti-Sprüher fordert.

Auch in dieser Frage ist der Ur-Grüne Christian Ströbele unerbittlich: "Wir brauchen keine neuen Gesetze", wehrte der Bundestagsabgeordnete gestern gegenüber unserer Zeitung ab. Am Donnerstag wird ihm diese Position kräftig um die Ohren gehauen werden, dann findet in Berlin der erste internationale Kongress gegen Graffiti-Schmiererein an Häusern und öffentlichen Gebäuden statt. Ein Ziel haben die Veranstalter bereits erreicht: In die politische Debatte um die Graffitis ist wieder Bewegung gekommen. Rund 200 Experten aus allen Bundesländern, aus sieben europäischen Staaten und den USA treffen sich im Roten Rathaus, um Erfahrungen im Kampf gegen die Sprayer auszutauschen. Und sie haben eines gemeinsam: Als Ausdruck von Jugendkultur oder Jugendprotest verstehen sie den Griff zur Farbdose nicht. Eher als ein Zeichen der Verwahrlosung. Politisch haben die Organisatoren um den Verein "Nofitti", der seit mehr als zehn Jahren in der Hauptstadt die zügellosen Sprüher im Visier hat, hochkarätige Unterstützung: Bei dem Kongress wird sich beispielsweise CDU-Generalsekretär Volker Kauder für härtere Strafen stark machen. Außerdem hat Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD die Schirmherrschaft übernommen. Aus gutem Grund: Berlin gilt seit Jahren als Mekka der Sprayer, in bestimmten Stadtbezirken gibt es kein Gebäude mehr ohne Graffiti. Das gilt schon für viele Straßenzüge in deutschen Städten. Aber allein in der Hauptstadt verursachte die Szene im vergangenen Jahr einem Schaden von 50 Millionen Euro. Bundesweit liegen die Schätzungen der Gesamtkosten von Sprühattacken zwischen 200 und 500 Millionen Euro. Manch eine Kommune hat bereits Kopfgelder von 100 Euro oder mehr ausgesetzt, um Sprayer dingfest zu machen. Wowereit setzt jedoch nicht nur auf Repressionen, sondern ebenso auf "Zuwendung und altersgemäße Angebote". Vor allem die positiven Erfahrungen aus Skandinavien interessieren die Organisatoren. In den nordischen Ländern werden Graffiti in der Regel sofort entfernt. Dort wird zudem härter gegen die Täter durchgegriffen, so der Nofitti-Vorsitzende Karl Henning. Dieser "Null-Toleranz-Praxis" stünde hingegen in Deutschland eine "Duldungskultur" gegenüber, beklagt der Vereins-Chef. Hierzulande müssen Täter nur dann mit einer Verurteilung wegen Sachbeschädigung rechnen, wenn die Substanz der Fassade leidet oder beim Reinigen beschädigt wird. Bei geringen Schäden gehen die Verfahren meist erfolglos aus - wenn die Täter zuvor überhaupt erwischt wurden. Mehrere Versuche seitens des Bundesrates, der Opposition und auch von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), schärfere Regeln einzuführen und schon wesentliche Veränderungen des Erscheinungsbildes gegen den Willen von Eigentümern unter Strafe zu stellen, scheiterten bisher am Widerstand der Grünen. Anlässlich des Kongresses werden die Stimmen derer nun wieder lauter, die handeln wollen. Selbst CDU-Chefin Angela Merkel plädierte jetzt dafür, Rechtsunsicherheiten "so schnell wie möglich zu beseitigen". Auch in der SPD-Fraktion ist man akzeptablen Vorschlägen erneut nicht abgeneigt. Dort weiß man aber auch um die Haltung der Grünen. Namentlich der von Christian Ströbele, der seinen Wahlkreis ausgerechnet im Berliner Stadtteil Kreuzberg hat, wo die Graffiti-Szene besonders aktiv ist.

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