Nun beginnt "Etappe zwo"

BERLIN. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) will sich bei der Gesundheitsreform nicht ausbooten lassen. Am Montag trifft sie sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU, am Mittwoch soll eine Spitzenrunde Arbeitsaufträge vergeben.

Angela Merkel sieht ihre Kanzlerschaft ein bisschen wie die Tour de France. Am Montag, nach den Landtagswahlen, beginnt für sie die "zweite Etappe", in der bis zum Sommer wichtige Reformen beschlossen werden sollen. Allen voran die Gesundheitsreform. Eine wichtige Akteurin soll nach dem Willen der Koalitionsführer aber nur hinten im Feld mitfahren: die zuständige Ministerin Ulla Schmidt (SPD). Trostpflaster für die Ministerin

Am Mittwochabend, kurz nachdem der italienische Präsident Ciampi das Kanzleramt verlassen haben wird, will Angela Merkel mit den Spitzen von SPD und Union über die Reform sprechen. Sechs Männer werden zu Gast sein: für die SPD Vizekanzler Franz Müntefering, Parteichef Matthias Platzeck und der Fraktionsvorsitzende Peter Struck, für die Union Volker Kauder (CDU), CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Ulla Schmidt ist nicht geladen. So etwas gab es bei Großreformen der Vorgängerregierung nicht, wie selbst der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg (SPD) gestern einräumen musste. "Ad hoc fällt mir eine vergleichbare Situation nicht ein." Ulla Schmidt bekommt als Trostpflaster am Montagabend eine Privataudienz bei ihrer Kabinettschefin. Die Regierung ist bemüht, den Vorgang herunterzuspielen. Selbstverständlich sei sie einbezogen, heißt es. Aber letztlich gehe es um Entscheidungen. "Und die treffen die Chefs." Die Siebener-Runde am Mittwoch sei vergleichbar mit einem Koalitionsausschuss, meinte Steg. Schmidt ist Kummer gewohnt. Schon unter Bundeskanzler Schröder gab es, wie man in ihrem Ministerium bildhaft beschreibt, "immer wieder mal die Situation, dass die großen Jungs kamen und sagten: raus aus dem Sandkasten, jetzt spielen wir". Am Ende aber habe sich Schmidt mit ihrem Sachverstand durchgesetzt. Darauf baut die Ministerin auch jetzt, wenngleich sie "gehörig angefressen" ist. Die Fragen sind so kompliziert, dass es ohne die Fachleute des Gesundheitsministeriums nicht gehen wird. So sollen denn auch am Mittwoch noch keine Entscheidungen fallen. Vielmehr wird die Siebener-Runde "Fragen formulieren und Aufträge vergeben". Im Kanzleramt denkt man an Arbeitsgruppen aus Experten der Fraktionen unter Einbeziehung des Ministeriums. Bei der Detailarbeit wäre Ulla Schmidt also wieder dabei. Einen Eckpunkt könnte die Spitzenrunde allerdings setzen, nämlich die Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe künftig noch Steuermittel in das System fließen. Der zweite Eckpunkt ist der Zeitplan. Bis zum Sommer soll die Reform fertig sein. Als sicher gilt, dass jetzt nur ein Kompromiss zwischen der Kopfpauschale der Union und der Bürgerversicherung der SPD herauskommt. Beide Elemente werden in der Reform auftauchen, aber nur mit kleinen Beträgen. "Wir wollen nichts verbauen für ein späteres reinrassiges Modell", heißt es. Im Klartext: CDU und SPD wollen sich beide ihre Handlungsfreiheit bewahren, wenn sie ab 2009 vielleicht wieder ohne große Koalition regieren können. Jetzt geht es vor allem darum, den sich anbahnenden Finanznotstand der Kassen in den Griff zu bekommen. Von acht bis zehn Milliarden Euro Defizit ist die Rede. Bei der anstehenden Gesundheitsreform wird nach Angaben des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Wolfgang Zöller, auch die Bezahlung der Ärzte neu geregelt. "Wir sind uns in der großen Koalition einig darüber, dass die Ärzte von der Punktwertvergütung wegkommen müssen und stattdessen einen festen Beitrag für ihre Leistungen erhalten", sagte Zöller unserer Zeitung gestern. Die Neuregelung bedeute eine wesentliche Erleichterung für die Mediziner. "Auch werden wir die Arbeitsbedingungen in den Arztpraxen verbessern", kündigte Zöller an. Insofern greife Schwarz-Rot einige Forderungen der jüngsten Ärzte-Proteste in der Gesundheitsreform auf.

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