Nur der nächste Sieg zählt

Für Gordon Brown zählt vom ersten Tag an nur eins — der Sieg bei der nächsten Unterhauswahl. Er ist ein Regierungschef, dessen Wahlkampf gleich mit dem Dienstantritt beginnt.

Zehn Jahre hat Brown darauf gewartet, dass Tony Blair ihm den Weg in die Downing Street Nummer zehn frei macht. Am heutigen Mittwoch ist es so weit. Blair tritt zurück. Browns einstiger Kamerad im Kampf um die Erneuerung der Labour-Partei ließ nur ungern von der Macht. Eigentlich wollte Blair sogar noch eine ganze dritte Wahlperiode lang regieren. Erst als dem britischen Premier klar wurde, dass ihm dann ein unrühmlicher, weil womöglich erzwungener Abgang drohte, entschied sich Blair, in der Mitte der Wahlperiode abzudanken. Und jetzt möchte Brown auf keinen Fall als Kurzzeitpremier in die Geschichte eingehen. Es sind deshalb weniger die Inhalte als deren strategische Wirkung, die Browns Handeln von nun an bestimmen. Und die nächste Wahl könnte früher kommen, als bislang gedacht. Der Premier hat das Recht, den Termin festzusetzen. Je nachhaltiger Browns Umfragewerte steigen, desto wahrscheinlicher wird eine Unterhauswahl. Bereits jetzt gibt es Spekulationen über Neuwahlen 2008. Schon bevor sein Kabinett steht, benannte Brown einen Kampagnen-Manager. Passend dazu sieht ihn eine Umfrage nun vor seinem konservativen Gegner David Cameron.

Umstrittene Themen wird der neue Premier meiden. Brown handelte die EU in seiner Antrittsrede als Parteichef in einem Satz ab. Darin ging es um die Zusammenarbeit mit "der Europäischen Union, Amerika und dem Rest der Welt" beim Kampf gegen Klimawandel und Terrorismus. Immerhin nannte Brown die EU in dieser Aufzählung noch vor Amerika. Sonst hätte man annehmen können, dass sich Großbritannien vielleicht nicht nur als EU-Mitglied, sondern auch als 51. Staat der USA versteht.

Viele Briten kritisieren die blinde Gefolgschaft zu Amerika. Das liegt vor allem am Irakkrieg. Auch bei dem Thema hält sich Brown bedeckt. "Wir haben unsere Lektion gelernt", sagt er. Ein Truppenabzug wäre populär bei den Wählern. Und schon deshalb im Sinne Browns. In seiner Zeit als Schatzkanzler war er zwar genauso für den Feldzug wie sein Regierungschef. Doch für den Irakkrieg steht in Großbritannien vor allem ein Name: Tony Blair. Ausgerechnet er soll nun als Sondergesandter des Nahost-Quartetts zwischen Israel und den Palästinensern vermitteln. Ein Kriegspropagandist als Friedensfürst? Zumindest Gordon Brown würde das nicht stören. Er hofft vor allem, dass Tony Blair bald möglichst weit weg ist.

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