Obama bekennt: Die längsten 40 Minuten meines Lebens

Washington · US-Präsident Barack Obama hat den Einsatzbefehl gegen Terroristenführer Osama bin Laden gegen die Bedenken von Beratern erteilt. Angesichts der Tötung des Al-Kaida-Chefs empfinde er keine Reue, sagt Obama gut eine Woche nach der Operation in Pakistan.


Washington. Was empfand der US-Präsident während der spektakulären Kommandoaktion, die mit dem Tod des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden endete? "Es waren die längsten 40 Minuten meines Lebens", beschrieb Barack Obama jetzt gegenüber dem Fernsehsender CBS seine Gefühle während der dramatischen Mission am Sonntag vor einer Woche, von der nur wenige Eingeweihte im Weißen Haus wussten. Obama hatte, so schilderte er es in seinem ersten Interview seit der "Operation Geronimo", auch jeden Grund, nervös zu sein. "Letztlich war es eine Situation, bei der die Chancen nur 55 zu 45 standen", ließ der Präsident am Sonntagabend zur besten Sendezeit durchblicken.
Zusätzlich zu den militärischen und politischen Risiken des Einsatzes stellte sich laut Obama auch die Frage, ob sich der Gesuchte tatsächlich in dem stark gesicherten Anwesen aufhalte. "Wir konnten nicht definitiv sagen, dass er dort war", sagte der Präsident. "Es gab kein einziges Foto und keinen einzigen bestätigten Augenzeugen. Die Indizien waren nicht schlüssig." Er habe sich am Ende auch gegen die Bedenken einiger Berater durchgesetzt, die wegen des "enormen Risikos" gegen die Aktion gewesen seien. Denn schließlich sei man auch in das souveräne Territorium eines anderen Landes eingedrungen. Als er dann im "Situa-tion Room" den Verlauf des Einsatzes verfolgt und von CIA-Direktor Leon Panetta ständig neue Informationen erhalten habe, "waren dies die längsten 40 Minuten meines Lebens", sagte Obama. Ähnlich angespannt sei er nur gewesen, als seine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten an Hirnhautentzündung erkrankt sei. Er habe sich am Ende gegen die ebenfalls diskutierte Option eines Luftangriffs und einer Bombardierung entschieden, um "Kollateralschäden" - also zivile Opfer - zu vermeiden. Das wichtigste Argument für seinen Einsatzbefehl sei am Ende gewesen, dass er die "gute Chance" gesehen habe, Al Kaida zwar nicht zu besiegen, aber die Terrororganisation nach zehnjährigem Kampf und einem hohen Einsatz an Menschenleben und Milliardenkosten zumindest schwer zu treffen. Auf die Vielzahl an missverständlichen und widersprüchlichen Informationen, die in den Tagen nach dem Tod bin Ladens vom Weißen Haus publiziert wurden, ging Obama nicht ein. Moralische Bedenken angesichts der Tötung des Gesuchten ließ er ebenfalls nicht erkennen: Der Massenmörder bin Laden habe bekommen, was er verdient habe. Gleichzeitig nutzte der US-Präsident die Gelegenheit, um Druck auf Islamabad zu machen. "Wir glauben, dass es ein Netzwerk an Unterstützern in Pakistan für ihn gegeben haben muss", sagte Obama. Eine Aussage, die die Spannungen zwischen beiden Ländern weiter schüren und auch die Debatte im US-Kongress über künftige Hilfszahlungen an Pakistan anheizen dürfte.

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