Obama: El Kaida kennt keine Hemmungen

Kurz vor dem Beginn des Gipfels zur Atomsicherheit in Washington mit 38 Staats- und Regierungs-Chefs haben US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel eindringlich vor internationalem Atomterrorismus gewarnt. Beide Politiker setzen aber auch unterschiedliche Schwerpunkte.

Washington. Wenn heute abend Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nukleargipfel in Washington US-Präsident Barack Obama zum Vier-Augen-Gespräch trifft, erwartet die Politiker eine lange Themenliste: Die Afghanistan-Strategie beider Staaten (inklusive Problemfall Karsai), die von Washington seit langem gewünschte und von Berlin immer wieder verzögerte Aufnahme von Guantánamo-Insassen, der Stand der globalen Klimaschutzbemühungen mit Blick auf die nächsten Treffen in Bonn und Mexiko sowie die Durchsetzung schärfere Strafaktionen gegenüber Teheran auf UN-Ebene. Bei Iran-Sanktionen sind sich Merkel und Obama einig: Die Zeit drängt. Doch ausgerechnet beim Hauptthema der zweitägigen Konferenz zeigen sich unterschiedliche Prioritäten und Differenzen bei der Beurteilung der Bedrohungslage.

Denn der durch die Verabschiedung der Gesundheitsreform und die Abrüstungsvereinbarungen mit Moskau politisch gestärkte Obama sieht die größte Gefahr darin, dass Atomwaffen in die Hände von Terrorgruppen wie El Kaida geraten. Seine Schreckensvision machte der US-Präsident kurz vor Gipfelbeginn klar: Terroristen würden keine Hemmungen haben, solche Massenvernichtungswaffen auch einzusetzen. Von "einer Million Toten in New York" hatte in einem solchen Fall auch US-Außenministerin Hillary Clinton gesprochen. Die Bundesregierung hingegen bezieht ihre "größte Angst", so hieß es gestern vor der Merkel-Abreise, aus der Möglichkeit, dass sogenannte schmutzige Bomben zur Detonation gebracht werden.

Die Kanzlerin besetzt ein Nischen-Thema



Darunter versteht man konventionelle Explosivstoffe, denen radioaktive Substanzen beigemischt werden, die beispielsweise aus Hospitälern oder Forschungsinstituten stammen (siehe Hintergrund). Mit Blick auf mögliche Opferzahlen halten Experten jedoch die Detonation eines nuklearen Sprengsatzes für weitaus folgenreicher.

Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Konzentration auf die "schmutzige Bombe" offenbar ein Nischen-Thema für den Gipfel gefunden, bei dem sich eine konsequente Politik gut darstellen lässt.

Es heißt, die Bundeskanzlerin werde auf den strikt geregelten Umgang mit spaltbaren Substanzen in Deutschland hinweisen, denn dort gebe es angesichts des Atomgesetzes "keinen Nachholbedarf".

Verschiedene Länder allerdings widmeten diesem Thema nicht genügend Aufmerksamkeit, schieben die Kritiker nach.

Auch will Merkel andere Staaten davon überzeugen, im zivilen Bereich anstelle von hoch angereichertem nur noch niedrig angereichertes Uran zu benutzen. Die Abschlusserklärung des Treffens, die in Grundzügen bereits formuliert ist, geht auch auf die Bedenken Merkels ein: So soll, begleitet von stärkerer internationaler Kooperation, alles "verwendbare nukleare Material" innerhalb von vier Jahren gesichert werden. Zum Streitthema des Gipfels könnte dabei angesichts der Bedenken mancher Entwicklungsländer die Freiwilligkeit solcher Schritte werden.

Hintergrund Schmutzige Bomben: Bei einer "schmutzigen Bombe" wird Nuklearmaterial - etwa aus medizinischen Geräten - in einen herkömmlichen Sprengsatz gefüllt. Die Explosion setzt eine radioaktive Wolke frei, die im Extremfall ein ganzes Gebiet unbewohnbar machen kann. Das hätte auch große wirtschaftliche Auswirkungen. Selbst schwache Verstrahlungen könnten aus Expertensicht dazu führen, dass die Krebsgefahr über Jahre steigt. Bei der Detonation wird das Nuklearmaterial freigesetzt. "Schmutzige Bomben" sind keine Atombomben. Sie haben nicht deren verheerende Sprengkraft, denn bei der Detonation kommt es zu keiner Kernspaltung oder -fusion. (dpa)

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