Obama legt Abwehr auf Eis

Russlands Militärführung hat als Reaktion auf den Präsidentenwechsel in den USA Abstand von der Stationierung neuer Kurzstreckenraketen an der Ostsee genommen.

Washington. Die neue US-Regierung unter Präsident Barack Obama hat die Umsetzung des unter George W. Bush geplanten und verabschiedeten Raketen-Abwehrschirms auf Eis gelegt. Wie gestern in Pentagon-Kreisen zu erfahren war, will man in den nächsten Monaten auf Anweisung des Weißen Hauses hin zunächst prüfen, ob das von Moskau kritisierte Projekt von Abfang-Raketen in Polen und von einem Radarschirm in Tschechien technologisch Sinn macht und ob es überhaupt mit der grundsätzlichen Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik vereinbar ist. Künftig sollen diplomatische Initiativen Vorrang vor Maßnahmen haben, die als Provokation oder Konfrontation ausgelegt werden können.

Am Montag hatte Barack Obama erstmals nach seinem Amtsantritt mit dem russischen Präsidenten Dimitri Medwedew telefoniert und dabei offensichtlich Hinweise auf ein generelles Überdenken des umstrittenen Projektes gegeben. Moskau folgte deshalb gestern mit der überraschenden Ankündigung, es werde die als Reaktion auf das US-Abwehrsystem geplante Stationierung von Kurzstreckenraketen des Typs Iskander aussetzen, weil die neue US-Regierung die Errichtung des Raketenabwehrschildes bisher nicht forciert habe. In Washington wurde diese Erklärung gestern als wohlwollendes Zeichen der Verständigungsbereitschaft nach dem Telefonat der beiden Präsidenten gesehen. "Falls es zutrifft, wäre dies ein sehr positiver Schritt," so der amerikanische Nato-Botschafter Kurt Volker in einer ersten Stellungnahme.

Zum Tauwetter zwischen Moskau und Washington dürfte die Absichtserklärung Obamas beigetragen haben, künftig direkte Gespräche mit Diktaturen wie dem Iran zu suchen. Der Iran ist wichtiger Geschäftspartner Russlands. Die Errichtung des US-Raketenabwehrsystems war unter George W. Bush mit der Begründung forciert worden, sich gegen mögliche Raketenangriffe durch "Schurkenstaaten" wie Iran oder Nordkorea schützen zu müssen. Der Kreml hatte stets argumentiert, das US-Projekt bedrohe seine Sicherheit und sei - wie die Nato-Osterweiterung - ein Indiz für die Absicht des Westens, militärisch in der Nähe Russlands Stärke zu zeigen. Obama und Medwedew werden erstmals wohl am 2. April am Rande des G 20-Treffens in London aufeinandertreffen.

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