Obama und die "dumme" Polizei

Barack Obama hat sich bei der Polizei keine Freunde gemacht, nachdem er den Beamten nach einem umstrittenen Einsatz rassistische Tendenzen unterstellte.

Washington. Der Vorfall, über den derzeit in den USA erbittert debattiert wird, beginnt wie ein ganz normaler Polizeieinsatz. Eine aufmerksame Frau bemerkt in der Universitätsstadt Cambridge, wie sich an der Tür einer Villa zwei Männer mit Rucksäcken zu schaffen machen. Die Frau, eine Weiße, handelt so, wie es Millionen Bürger tun würden. Sie wählt den Notruf 911 und meldet: "Da sind zwei Schwarze, die versuchen, bei einem Haus die Eingangstür aufzustemmen." Die Zentrale tut das, was üblich ist: Sie ruft nach einem verfügbaren Streifenwagen und erteilt dem Polizisten einen Einsatzbefehl. Der Auftrag lautet: Die Verdächtigen überprüfen.

Die "Verdächtigen" - das sind der farbige Professor Henry Gates jr., der an der renommierten Harvard-Universität lehrt, sich auch mit der Benachteiligung von Afro-Amerikanern im Alltag beschäftigt und dazu noch ein guter Bekannter von US-Präsident Barack Obama ist. Und sein Fahrer. Das Haus gehört Gates, und die Tür klemmt. Beide versuchen, sie aufzuhebeln. Doch dies wissen weder die Zeugin noch der zum Einsatzort eilende Polizist James Crowley.

Situation eskaliert



Der erfahrene Beamte ist ein Weißer, der bereits einmal Schlagzeilen machte. Das war 1993, als er vergeblich versuchte, das Leben des farbigen Basketballprofis Reggie Lewis von den "Boston Celtics" mit Mund-zu-Mund-Beatmung zu retten, nachdem dieser mit einem Herzstillstand zusammengebrochen war. So treffen hier der farbige Gelehrte und der weiße Cop aufeinander - und die Situation eskaliert laut dem Polizeiprotokoll schnell. Gates weigert sich zunächst, einen Ausweis zu zeigen - und wirft dem Streifenbeamten vor, ihn lediglich deshalb kontrollieren zu wollen, weil er ein Farbiger sei und ins "Rassen-Profil" der Polizei passe. Auf der Veranda setzt Gates lautstark vor Passanten die verbalen Ausfälle fort - bis ihm schließlich Crowley Handschellen anlegt und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festnimmt.

Seitdem tobt im Land die Debatte, die sich um zwei Fragen rankt: Ging der "Cop" zu weit und hat aus rassistischen Motiven gehandelt? Oder hat der schwarze Professor bewusst den weißen Polizisten mit Rassismus-Vorwürfen provoziert?

Öl ins Feuer goss ausgerechnet der US-Präsident, der sich am Mittwoch weit vorgewagt hatte. Obwohl er alle Fakten nicht kenne, sagte Obama, habe er den Eindruck, dass die Polizei "dumm" gehandelt habe, weil sie einen Mann verhaftet habe, nachdem dieser sich bereits als Hauseigentümer ausgewiesen hatte. Und bekannt sei schließlich, dass Farbige und Latinos im Land überproportional kontrolliert würden. Eine Aussage, die bei der Polizeiführung von Cambridge, aber auch dem Streifenbeamten und dessen Kollegen sauer aufstieß. Polizist Crowley lehnt die von Gates geforderte Entschuldigung ab - und schießt nun in Richtung Obama: Dieser habe sich zu weit vorgewagt, als er ohne Faktenkenntnis einen "rein lokalen Vorfall" kommentiert habe.

Und Obama? Diesem dämmerte am Donnerstag, dass verbale Zurückhaltung offenbar doch das Gebot der Stunde gewesen wäre. Die Situation sei offenbar "aus der Hand geraten". Doch Polizisten fürchten nun, dass die Obama-Aussage Wirkung auf ihre tägliche Arbeit hat. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Beamten künftig ihre Handlungen in Frage stellen," sagt David Holway, Präsident der "Brotherhood of Police Officers", der 15 000 Cops in den USA angeschlossen sind, "der Präsident hat mit seinen Bemerkungen Polizisten im ganzen Land vor den Kopf gestoßen."

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