"Oskar Lafontaine ist von gestern"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil (34) hat eine Koalition mit der am Wochenende neu gegründeten Partei "Die Linke" kategorisch ausgeschlossen. Es gebe auf Bundesebene keinerlei Schnittmengen, sagte Heil am Rande eines Programmforums der Trierer SPD dem TV.

 SPD-Generalsekretär Hubertus Heil (Mitte) und die Trierer SPD-Vorsitzende Malu Dreyer im Gespräch mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz. TV-Foto: Friedemann Vetter

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil (Mitte) und die Trierer SPD-Vorsitzende Malu Dreyer im Gespräch mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Beim Thema Mindestlohn forderte Heil den Koalitionspartner auf, seine ideologischen Bremsen zu lösen. Mit dem SPD-Generalsekretär sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz. Die SPD rutscht in der Wählergunst weiter ab, während die Union weiter zulegt. Wie erklären Sie sich diesen Trend? Heil: Die SPD ist seit einem Jahr in seriösen Umfragen ziemlich konstant - zwischen 29 und 32 Prozent. Das ist uns nicht genug, aber ein Fundament, auf dem die Partei inhaltlich, programmatisch und auch personell aufbauen kann. Wir wollen keine Umfragen gewinnen, sondern Wahlen. Mittlerweile macht sich sogar schon ihr ehemaliger Koalitionspartner um die SPD Sorgen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagt: Wir brauchen eine starke Sozialdemokratie und keine hasenfüßige SPD, die immer mehr ihr Profil verliert. Was antworten Sie Frau Roth?Heil: Um uns muss sie sich keine Sorgen machen. Die sozialdemokratische Handschrift in der großen Koalition ist unverkennbar.Am linken Rand wird die SPD von der Linkspartei bedrängt, am rechten Rand rückt Ihnen die keineswegs so neoliberale CDU auf den Leib. Wie will sich die einstige Volkspartei SPD da behaupten?Heil: In Ihrer Frage sind zu viele Unterstellungen enthalten. Kennen sie den Programmentwurf der CDU? Wenn im Zweifelsfall nur noch der Markt entscheiden soll, ist das neoliberal. Dass die PDS wirklich ihre West-Ausdehnung schafft, halte ich für unwahrscheinlich. Hier in Rheinland-Pfalz ist sie damit jedenfalls gescheitert. Wir werden uns mit dieser politischen Konkurrenz, wie mit den anderen Parteien auch, selbstbewusst auseinander setzen. Es gibt in diesem Land eine Mehrheit, die nicht will, dass soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Dynamik gegeneinander ausgespielt werden. Auf Länderebene gab und gibt es bereits Koalitionen zwischen SPD und Linken, auf Bundesebene werde er das noch erleben, behauptet Linksfraktions-Vorsitzender Gregor Gysi. Was antworten Sie Herrn Gysi?Heil: Ich würde erst mal fragen, ob das mit dem "links" bei denen stimmt. Links sein heißt im Sinne der Aufklärung, Realitäten anzuerkennen und die Verhältnisse im Interesse der Menschen zu verändern - und nicht lediglich soziale Ängste zu schüren, wie die PDS. Auf Bundesebene sehe ich keinerlei programmatische Schnittmengen mit der PDS - weder in der Wirtschafts-, noch in der Sozial- oder Außenpolitik. Daher schließt sich hier auch eine Koalition aus.Da wird Ihr ehemaliger Vorsitzender Oskar Lafontaine aber traurig sein…Heil: Sie kennen doch die Augsburger Puppenkiste. Da gibt es eine Figur, die heißt Tur-Tur, der Scheinriese. So ist das auch mit Oskar Lafontaine: Je näher man kommt, desto kleiner wirkt er. In den 80er-Jahren habe ich ihn als Querdenker geschätzt, inzwischen versucht er nur noch noch Ängste zu mobilisieren. Für die wirklichen Herausforderungen in einer globalisierten Welt hat er keine Antworten. Oskar Lafontaine ist von gestern und für die Zukunft nicht tauglich.Rot-Rot fällt für die nächste Bundestagswahl also flach, Schwarz-Rot laut SPD-Fraktionschef Peter Struck auch. Welche Parteienkonstellation soll denn Ihrer Ansicht nach die nächste Bundesregierung stellen? Heil: Wir kämpfen dafür, dass die SPD 2009 wieder stärkste Partei wird und den Kanzler stellt. Koalitionen werden nach Wahlen geschlossen - im Bund auber nicht mit der PDS. Bis dahin werden wir im Interesse der Menschen in den nächsten zwei Jahren in dieser großen Koalition weiter vernünftig arbeiten und für unsere Ziele kämpfen.Reichlich in der Schusslinie steht ja in den letzten Wochen auch Ihr Parteivorsitzender Kurt Beck, der sich in Ruanda mit Gorillas fotografieren ließ, während sich Angela Merkel beim G8-Gipfel mit den Mächtigen der Welt präsentierte. Eine linksalternative Zeitung bespöttelte Beck unlängst als "Provinzkanzler". Das muss Becks "General" doch mächtig wurmen, oder?Heil: Nein, denn Kurt Beck ist ein starker SPD-Vorsitzender. Er ist glaubwürdig und durchsetzungsfähig wie wenige andere. Er hat den Parteivorsitz in einer schwierigen Situation übernommen und die Partei stabilisiert. Er hat es nicht nötig, sich von irgendwelchen Artikeln umblasen zu lassen. Die Rheinland-Pfälzer kennen Kurt Beck ja bereits sehr gut. Und die absolute Mehrheit bei der letzten Landtagswahl hat gezeigt, dass die Leute sich ihr eigenes Bild machen.Bundesweit verliert Ihre Partei Mitglieder, während sie im "Beck-Land" Rheinland-Pfalz Mitglieder dazugewinnt: Woran liegt´s?Heil: Die SPD ist in Rheinland-Pfalz sehr stark, aber die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass insgesamt wieder verstärkt junge Leute in die Partei eintreten.Sie wollten nicht locker lassen, bis Sie den Ball im Tor hätten, sagen Sie und meinen den Mindestlohn. Die Union dagegen stellt sich weiter stur. Was ist denn, wenn Sie beim Spielabpfiff immer noch nicht getroffen haben?Heil: Die Union sagt immer: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wir Sozialdemokraten sagen, sozial ist nur die Arbeit, von der Menschen auch leben können. Wenn Menschen nur zwei, drei Euro pro Stunde verdienen, ist das ein Skandal. Davor kann auch die Union die Augen nicht verschließen. Über den Mindestlohn ist viel diskutiert worden. Wir sind in der großen Koalition zu Fortschritten in der Lage, wenn die CDU ihre ideologische Bremse löst.Am Donnerstag ist im Bundestag etwas Kurioses passiert: Da stimmte die SPD gegen einen Antrag zum Thema Mindestlohn, obwohl die Linksfraktion als Antragsteller den Text von der SPD übernommen hatte. Können Sie uns das erklären?Heil: Die PDS begreift nicht, wie Regierungsarbeit funktioniert. Wir haben mit der Union einen Koalitionsvertrag. Das heißt, dass wir Anträge gemeinsam ins Parlament einbringen und deshalb nicht Anträgen der PDS zustimmen können. Wechselnde Mehrheiten sind keine Grundlage für eine stabile Regierung. Deshalb haben wir den PDS-Antrag abgelehnt.Abgelehnt stimmt ja nicht ganz: Immerhin vier SPD-Abgeordnete haben für den Antrag gestimmt. Welches Ungemach droht den jetzt den Abweichlern?Heil: Zunächst einmal: doch, abgelehnt, denn im Bundestag gelten Mehrheiten. Die vier Abgeordneten, die für den PDS-Antrag gestimmt haben, müssen sich fragen, ob das politisch klug war. Ich fand es nicht politisch klug. Das haben wir deutlich gesagt, und damit hat sich das.Welche Projekte muss die Große Koalition unbedingt noch erledigen, bevor sie sich dem Wahlkampf widmen kann?Heil: Wir müssen dafür sorgen, dass wir in Deutschland Mindestlöhne bekommen. Außerdem müssen die Leistungen in der Pflege verbessert werden - vor allem für demente Menschen. Beim Thema Klimaschutz reicht es darüber hinaus nicht, nur abstrakte Ziele zu formulieren. Drittes großes Thema: die Erbschaftssteuerreform. Es gibt also noch jede Menge zu tun in der großen Koalition.Zum Abschluss mal eine unpolitische Frage: Sind Sie zum ersten Mal in Trier?Heil: Nein, weiß Gott nicht. Ich war schon häufig hier. Mein Schwager hat in Trier Jura studiert und sich nicht nur in die Stadt verliebt, sondern auch in eine Winzerstochter aus Kesten an der Mosel. Im letzten Sommer war ich deshalb hier auf einer Winzerhochzeit. Zur Person Hubertus Heil ist seit zwei Jahren Generalsekretär der SPD und Nachfolger von Klaus Uwe Benneter. Der 34-jährige Norddeutsche sitzt seit 1998 im Bundestag. Zuvor war der studierte Politologe Mitarbeiter mehrerer Abgeordneter.

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