Oskars Ohrfeigen

FRANKFURT/SAARBRÜCKEN. Mit voller Kraft voraus gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder: Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine kanzelte bei seinem Fernseh-Auftritt in der Talkshow "Friedman" die derzeitige SPD-Politik ab.

Wer noch den geringsten Zweifel hatte, Oskar Lafontaine selbst hat ihn ausgeräumt: Aber gewiss, er möchte sich wieder stärker in die Politik einmischen. Er spricht sogar davon, die gegenwärtige "Richtung der sozialdemokratischen Politik ändern zu wollen". Das Fernsehpublikum war überrascht, als Lafontaine bei Talker Michel Friedman seine Einmischung ankündigte. Man merkt es dem ehemaligen SPD-Chef förmlich an: Die Politik eines Gerhard Schröder ist dem Mann, dessen Herz nach eigenem Bekunden links schlägt, immer noch ein Dorn im Auge. Es ist schon kurz nach Mitternacht, als Lafontaine am Mittwoch beim ARD-Talk mit Michel Friedman aus seinem politischen Herzen keine Mördergrube macht. Die Verlängerung beim Fußball-DFB-Viertelfinale und die Irak-Krise haben die aufgezeichnete Sendung im Programm eine satte Stunde nach hinten rücken lassen. Doch selbst zu nachtschlafender Zeit sitzen immer noch 1,1 Millionen vor der Flimmerkiste. Am Morgen danach frohlockt der Hessische Rundfunk: Das Gespräch mit dem streitbaren Oskar Lafontaine war für den Sender ein echter Quotenbringer. Unausgesprochen dreht sich alles um die Politik des Kanzler-Parteichefs Gerhard Schröder. Hartnäckig versucht Friedman immer wieder seinen Gast auf eine direkte Konfrontation mit dem Kanzler festzunageln. Doch Lafontaine scheint nicht auf Zoff aus. Nicht ein einziges Mal kommt ihm während der halbstündigen Sendung der Name seines früheren Mitstreiters und heutigen politischen Gegners Schröder über die Lippen. Die politischen Pflöcke jedoch, die er einschlägt, gleichen verbalen Ohrfeigen für den Obergenossen. Ja, die Politik, die jetzt gemacht werde, schade den Sozialdemokraten. Punktum. Er geißelt die von der Schröder-SPD anvisierte Änderung des Kündigungsschutzes ("Es trifft die Schwächsten"), die Steuerpolitik, die die Vermögenden bevorzuge, und die Reform der Sozialpolitik ("Rückfall ins 19. Jahrhundert"). Wie es nun in einer informellen großen Koalition in Berlin weitergehen soll, will Friedman wissen, der sich an diesem Abend weit weniger angriffslustig gibt als sonst. Vielleicht doch Brüder im Geiste, der Unions-Mann und sein Vis-à-Vis? "Die SPD muss klar sagen, was sie will. Erst dann kommt der Kompromiss", so Lafontaines nächtliche Rezeptur.

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