Panik bei den Wahlkämpfern an Rhein und Ruhr

Soll die von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Hotelsteuer-Senkung ausgesetzt werden? Das fordern schwarz-gelbe Spitzenpolitiker - und ernten dafür Spott und Häme.

Berlin. Jürgen Rüttgers (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sprang seinem Stellvertreter und FDP-Koalitionspartner gestern zur Seite: "Es ist gut, dass Herr Pinkwart gesagt hat, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen ein Fehler war. Die Bundesregierung sollte den Pinkwart-Vorschlag ernsthaft prüfen", teilte Rüttgers mit. Als ob die beiden nie an den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in Berlin teilgenommen hätten, bei denen der Steuerrabatt besiegelt worden war. Parteifreunde schüttelten gestern nicht nur verärgert den Kopf, sondern spotteten auch kräftig über die nordrhein-westfälische Allianz.

"Gute Politik korrigiert sich, wenn ein Gesetz den Praxistest nicht besteht", hatte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Andreas Pinkwart dem "Spiegel" gesagt. "Also sollte man die Steuersenkung für Hoteliers aussetzen und im Rahmen der großen Steuerreform neu machen." Eine späte Erkenntnis. Denn bevor die Koalition Ende vergangenen Jahres die Reduzierung von 19 auf sieben Prozent als Teil des "Wachstumsbeschleunigungsgesetzes" mit Ach und Krach durchgesetzt hatte, gab es kaum einen Experten, der daran ein gutes Haar ließ. Viel zu bürokratisch und umständlich, lautete der Hauptvorwurf, Übernachtungen würden nicht billiger, und eine Garantie, dass Hoteliers stärker investieren würden, gebe es auch nicht. Kurzum: Schnöde Klientelpolitik.

All die Kritik wurde von den Koalitionären, auch von Pinkwart und Rüttgers, aber in den Wind geschlagen - wobei: Dem Vernehmen nach soll die FDP damals im Dezember durchaus bereit gewesen sein, das umstrittene Vorhaben wieder zu kippen. Doch die CSU habe dies mit Macht abgelehnt, so Koalitionskreise. Wie dem auch sei - die Einsicht der beiden Nordrhein-Westfalen kommt zu einem arg verdächtigen Zeitpunkt. In dem bevölkerungsreichsten Bundesland wird am 9. Mai ein neuer Landtag gewählt, und die Umfragen sehen die FDP deutlich schwächelnd, wodurch die Mehrheit von Union und Liberalen in NRW gefährdet ist. Die Werte der Grünen steigen indes, so dass der flexible Rüttgers durchaus die Möglichkeit hätte, das Pferd nach der Wahl zu wechseln. Das wiederum macht die FDP nun mächtig nervös. Und sollte es nicht mehr für Schwarz-Gelb an Rhein und Ruhr reichen, wäre dies auch ein schwerer Schlag für die Berliner Koalition, quasi eine Quittung für das schlechte Erscheinungsbild des Bündnisses, für das nicht wenige die Westerwelle-Truppe verantwortlich machen. Hinzu kommt: An eine Mehrheit im Bundesrat für eine grundlegende Steuerreform oder eine Gesundheitsreform ist dann kaum mehr zu denken. Deshalb machen Rüttgers und Pinkwart beim Thema Hotelsteuer lieber gemeinsame Sache.

In Berlin hieß es gestern, ein Aussetzen der Steuersenkung komme gar nicht in Frage. Als "Panik-Pinkwart" wurde der NRW-Mann sogar verspottet. Er habe offenbar alle Grundprinzipien der Kommunikation vergessen: "Unliebsame Themen rührt man am besten nicht mehr an, dann sind sie irgendwann vergessen." Der Geist ist jetzt aber wieder aus der Flasche, und er wird die Koalition noch länger auf Trab halten: Wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung keine Änderungen vornehme, "bringen wir das über den Bundesrat ein", drohte Pinkwart nämlich noch.

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